0367 - Der Boß läßt seine Meute los
vor einer knappen Stunde mit dem schicken Jaguar hier, oder nicht?«
»Wir waren«, bestätigte ich und schob ihn in seinen Pavillon zurück. »Hängen Sie sich an die Strippe, und rufen Sie den lieben Myers an.«
»Jetzt?«, rief der Tankwart erschrocken.
Ich schob ihm meinen Dienstausweis über den kleinen Schreibtisch hinweg zu. Phil legte seinen daneben. Wir sahen den Mann stumm an. Er starrte ebenso schweigsam auf die beiden Lichtbilder und den Text daneben.
»F…« sagte er tonlos.
»…BI«, ergänzte Phil gelassen. »Jetzt zeigen Sie mal, dass Sie telefonieren können. Da ist der Apparat, und vor Ihnen liegt das Verzeichnis der Hausanschlüsse dieser ehrenwerten Firma. Wir wollen mit Myers sprechen.«
»Könnt ihr das nicht selbst machen?«, erkundigte sich der Mann kläglich.
»Gern«, sagte ich. »Die Nummer?«
»Zweimal die eins.«
Ich drehte die Scheibe. Fast augenblicklich ertönte das sonore Organ eines Mannes, der so ein großer Boss war, dass er es nicht mehr nötig hatte, seinen Namen zu nennen. Er bellte nur irgendwas in die Leitung, was entfernt an »Hä?«, erinnerte.
»Hier spricht Spezialagent Jerry Cotton vom New Yorker FBI-Büro«, erklärte ich. »Tut mir leid, dass wir Sie zu so später Stunde noch stören müssen, Mister Myers, aber es ist dringend. Können wir jetzt mit Ihnen sprechen?«
»FBI? Himmel, habe ich die Steuern nicht bezahlt?«
»Dann wäre die Steuerfahndung hier, Mister Myers.«
»Ach so, ja, richtig. Lässt es sich nicht auf Morgen verschieben?«
»Es ist dringend, Mister Myers.«
»Na gut, meinetwegen. Ich schicke jemand ans Tor, der Sie zu mir führt. Wo sind Sie?«
»In der Tankstelle.«
»Okay, ich lasse Sie dort abholen.«
»Danke.«
Ich legte auf.
Das Gelände war zu weitläufig, als dass man Kendly auf gut Glück hätte suchen können.
Ein Bursche mit finsterem Gesicht erschien und winkte uns, ohne einen Ton von sich zu geben. Ich wollte von vornherein keine Unklarheiten aufkommen lassen, zog meine'Pistole und sagte ruhig: »Strecken Sie die Arme hoch.«
Angesichts einer Pistolenmündung gibt es selbst mit den redseligsten Unterweltfiguren erstaunlich wenig Diskussionen. Es scheint die Sprache zu sein, die sie buchstäblich auf Anhieb verstehen. Phil klopfte ihm die Taschen ab und brachte prompt einen Coltrevolver zum Vorschein.
»Waffenschein?«, fragte Phil.
»Nein«, knurrte der Mann, der höchstens dreißig Jahre alt war.
»Okay«, sagte Phil. »Darüber sprechen wir noch. Jetzt bringen Sie uns erst einmal zu Myers.«
Wir wurden über den Hof geführt. Erst als wir schon ein gutes Stück Weg zurückgelegt hatten, erkannten wir, dass an das Parkhochhaus ein zweistöckiges Wohnhaus angebaut war. In einigen Fenstern im Erdgeschoss war schwacher, gelblicher Lichtschein zu sehen.
Phil blieb plötzlich stehen, als wir nur noch zehn oder zwölf Schritte von dem Wohnhaus entfernt waren. Ich folgte seinem Beispiel und sah ihn neugierig an.
»Hat das Haus einen Keller?«, fragte Phil gedehnt.
»Einen Keller? Nein, ich glaube nicht. Nein.«
Phil sah mich an. Über der Haustür brannte eine helle Lampe, sodass wir uns gut erkennen konnten. Ich nickte zustimmend, als ich Phils fragenden Blick bemerkte.
Wir gingen weiter. Die Haustür stand einen Fingerbreit offen. Ein quadratischer Vorraum empfing uns.
Auf dem Boden lag ein schwerer, anscheinend handgewebter Teppich. Die Wände waren mit Seidentapeten verziert und trugen zwei alte Gobelins als Schmuck. Wir blieben stehen, während unser Begleiter leise die Haustür hinter sich ins Schloss zog. Bevor er sich umdrehen konnte, stieß ihm Phil die Mündung seiner Dienstpistole gegen die Rippen und zischte leise: »Hände hoch!«
Gehorsam krochen seine Hände in die Höhe. Ich trat ebenfalls dicht an ihn heran. Er wurde blass. Wir sahen ihn schweigend an. Auf seiner Stirn und auf seiner Oberlippe erschien Schweiß in winzigen Tröpfchen.
»Da drüben ist die Kellertür.«
Phil schob ihn vorwärts. Eine dunkle Edelholztür verbarg den Zugang zur breiten Kellertreppe. Unten brannte Licht, und das machte mich misstrauisch. Ich angelte meine Dienstpistole aus der Tasche und schob mit dem Daumennagel den Sicherungsflügel zurück. Als wir die Treppe zur Hälfte hinabgestiegen waren, fragte von unten eine Männerstimme: »Sind Sie das, Boss?«
Einen Augenblick zögerten wir alle drei. Dann geschah einiges gleichzeitig.
Unser Mann schrie plötzlich gellend: »Achtung, Tib! Bullen!«
Bevor er die
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