0367 - Schreckenstag
unterbrach ihre Unterhaltung. Ihr zweites »Kind« kam. Es war die Wölfin Nadine. Ein Tier mit der Seele eines Menschen.
Bill lachte, als er die Wölfin sah. Sie kam zu ihm, hob den Kopf und rieb ihre Schnauze an seiner Wade. »Ja, ich weiß, du hast wieder was gerochen…«
»Nein, sie hat ihr Futter bekommen«, unterbrach Sheila.
»Sei doch nicht so hart.«
»Nicht zu sehr verwöhnen. Johnny macht das schon.«
Bill hob die Schultern, bevor er mit Nadine redete. »Du hast gehört, was gesagt worden ist. Hier im Haus hat Sheila die Hosen an, daran kann ich leider nichts ändern.«
Das ärgerte Bills Frau. »Laß das ja keinen hören, sonst glaubt der das noch.«
»Stimmt es denn nicht?«
»Ach, hör doch auf!«
Nadine wandte sich ab. Aus ihren menschlichen Augen warf sie Sheila einen beinahe bettelnden Blick zu, aber die ließ sich nicht erweichen, schüttelte den Kopf, und die Wölfin trollte sich. Sie schritt in die Mitte des großen Wohnraums und ließ sich auf dem von der Sonne beschienenen Teppich nieder. Draußen war es sehr kalt, aber auf dem Teppich warm, und die Wölfin fühlte sich wohl.
Bill schenkte Sheila und sich Kaffee nach. Er hatte die Kanne wieder hingestellt, als er Sheilas starren Blick bemerkte.
»Was ist los?«
»Schau dir Nadine an.«
Bill mußte sich auf seinem Stuhl nach links drehen, um sie sehen zu können.
Die Wölfin hatte ihr Sonnenbad schon beendet und war aufgestanden. Das hätte beide an sich nicht irritiert, es war die Haltung, die Sheila und Bill störte.
Nadine stand steif da, wie unter Strom. Sie schien etwas gewittert zu haben.
Eine Gefahr…
Bill legte seine Serviette neben den Teller und wollte aufstehen.
»Laß mal«, sagte Sheila. »Vielleicht reagiert sie noch anders.«
In der Tat bewegte sie sich, drehte ihren Kopf und zielte mit der geöffneten Schnauze gegen die Decke.
Urplötzlich drang aus ihrer Kehle ein Heulen. Es war tief im Rachen geboren, schwang durch den Raum und endete in einem scharfen Knurren, wobei sie gleichzeitig mit drei Sätzen in Richtung Tür sprang, als hätte sie vor irgend etwas Angst bekommen.
Die Gefahr war vorhanden!
Nur bemerken Tiere sie früher als Menschen, und so erging es auch der Wölfin.
Sie stand noch in der Tür, als es für einen Moment stockfinster im Haus wurde, ein Knattern erklang und sich in der Finsternis wie ein aus grünen Blitzen bestehendes Netz abzeichnete, das das gesamte Zimmer einnahm.
Dann war es wieder hell.
Sheila schluckte. Sie schaute Bill starr an. »Was… was kann das gewesen sein?«
Der Reporter hob die Schultern. So ratlos war er…
***
Shao und Suko wußten, was mir bevorstand. Deshalb hielten sie sich auch zurück und sprachen kein Wort, damit ich die Gelegenheit bekam, mich auf den Würfel zu konzentrieren.
Was wollte ich eigentlich von ihm?
Er sollte mir den Weg aus dieser Misere zeigen. Das heißt, ich wollte wissen, ob hier innerhalb des Lagers noch Reste der Magie bestanden, die für die Zerstörung gesorgt hatte.
Den Kopf hielt ich gesenkt. Mein Blick war voll auf die Würfelfläche konzentriert. Ich wußte genau, daß er sich manipulieren ließ, es mußte mir nur gelingen, die Brücke zwischen ihm und mir zu bilden.
Suko hatte die Lagertür geschlossen, so daß wir gewissermaßen von der Stille eingeschlossen waren. Aus der oberen Etage drang kein Laut mehr an unsere Ohren.
Die nötige Ruhe besaß ich also. Konnte ich es auch schaffen, den Würfel zum »Reden« zu bringen?
Ich konzentrierte mich so stark, daß mir der Schweiß auf die Stirn trat. Dabei dachte ich an das, was man mir berichtet hatte. Wenn der Junge, sich nicht getäuscht hatte, mußte eine Reaktion erfolgen.
Sie kam nicht.
Statt dessen spürte ich, daß ich mich überhaupt nicht auf das eigentliche Ziel einpendeln konnte. Meine Gedanken wurden immer abgelenkt. Sosehr ich mich auch bemühte, es gelang mir nicht, das zu erreichen, was Kara, die Schöne aus dem Totenreich, schaffte, wenn sie sich auf ihr Schwert konzentrierte.
Meine Gedanken zerfaserten.
Ungewollt schüttelte ich den Kopf. Das bemerkten auch meine beiden Freunde. »John, was ist geschehen?« hörte ich Sukos Frage.
»Ich weiß es auch nicht genau, aber ich komme einfach nicht durch.«
»Wie?«
Ich hob die Schultern und wischte Schweiß von meiner Stirn. »Der Würfel will mir nicht gehorchen. Er macht, was er will. Das ist sonst nie vorgekommen.«
»Wie meinst du?«
»Früher. Du weißt, wenn man sich auf eine Sache konzentriert,
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