0367 - Schreckenstag
wenn die Scheiben große Risse zeigten.
Im Geschäft war das Durcheinander perfekt. Der Laden war modern eingerichtet worden, mit hellen Regalen, Glasvitrinen, kleinen Ecken und Verkaufsnischen, aber jetzt stand nichts mehr.
Die zahlreichen Kleidungsstücke lagen verstreut zwischen blitzenden Glasscherben, und bei jedem Schritt knirschte etwas unter meinen Schuhsohlen.
Suko hielt jetzt den Würfel. Shao war an der Wand stehengeblieben. Aus weit geöffneten Augen schaute sie sich das Durcheinander an. Die Hände hatte sie zu Fäusten geballt. In ihr mußte es schlimm aussehen, denn es war genau das eingetreten, was sie zuvor gesehen hatte.
Trug der Würfel daran die Schuld? Hatten wir uns wirklich ein Kuckucksei ins Nest gelegt? Oder hielten wir nun eine magische Zeitbombe in den Händen, die außer Kontrolle geraten war?
Wir wußten es noch nicht und hofften, ohne uns abgesprochen zu haben, daß dies auch nicht eintreten würde.
Ich suchte das Zentrum der Explosion. Meiner Ansicht nach mußte es so etwas geben, davon war nur nichts zu bemerken. Überall sah es gleichermaßen wüst aus, und auch auf dem Boden zeichnete sich kein Explosionstrichter ab.
Am Eingang entstand Bewegung. Chiefinspektor Tanner kam. In seiner Begleitung befanden sich eine Frau und ein Junge. Vielleicht etwas älter als der kleine Johnny Conolly.
»He, John.« Tanner winkte mir. Ich ging zu ihm. Auch Suko und Shao wandten sich ihm zu.
»Ich glaube fest daran, daß wir hier einen guten Zeugen haben.«
Er deutete auf den Jungen, der sich nicht so verlegen gab wie seine Mutter, denn sie hatte ihre Hände um die Handtasche gekrallt und bewegte die Finger, als wollte sie Klavier spielen.
Da ich mit dem Jungen reden wollte, ging ich in die Hocke und erkundigte mich zunächst nach dem Namen des Kleinen.
»Ich heiße Billy.«
»Okay, Billy, du hast also etwas gesehen?«
»Ja.«
»Und was?«
Er hob seine schmalen Schultern. »Das war so komisch. Wir standen vor dem Schaufenster und guckten. Dann sah ich die Verkäuferin in die Auslage kommen. Wenig später den grünen Punkt.«
»Welchen Punkt?«
Billy schaute mich erstaunt an. »So einen Punkt. Der war plötzlich da. Er kam von oben.«
»Aha – und?«
»Er fiel und wurde größer. Eine Lache lag auf einmal im Schaufenster. Grün, so richtig komisch…«
Ich fragte und erfuhr weiterhin, daß sich aus dieser Lache die »Bombe« gebildet hatte, die die Schuld an dem Chaos trug.
»Hast du auch die Gestalten gesehen?« wollte ich wissen.
»Die grünen Geister?« Er nickte heftig. »Klar, die habe ich ganz genau erkannt.«
»Wie sahen sie denn aus?«
»Wie Geister.«
Ich lächelte. »Hatten sie nicht trotzdem eine Gestalt? Erinnerten sie dich vielleicht an Menschen?«
»Das stimmt.« Er beschrieb sie mir. Da auch Suko und Shao zuhörten, konnten sie einen Kommentar geben. Weder die beiden noch ich hatten diese Geister jemals zuvor gesehen. Das mußten völlig neue Dämonen sein. Irritiert wurde ich von ihrer Farbe, denn alles, was irgendwie mit der Farbe Grün zu tun hatte und auch mit Magie in Verbindung stand, führte ich auf das geheimnisvolle Land Aibon zurück.
Meine Gedanken wanderten zurück nach Pluckley. Auch in dem Dorf der zwölf Gespenster hatte die aibonsche Magie eine große Rolle gespielt. Suko und Bill hatten sich dort mit Hilfe der Erzengel befreien können und auch den Fluch der rauchenden Zigeunerin gelöscht. Während der Irrfahrt mußte der Würfel des Unheils mit der Magie aus Aibon in Berührung gekommen sein. Anders konnte ich mir die jetzigen Vorgänge nicht erklären.
»Haben Sie sonst noch Fragen, John?« erkundigte sich der Chiefinspektor.
»Nein. Ich danke dir, Billy. Du hast mir sehr geholfen.«
»Und Sie glauben mir, Sir?«
»Ja.«
»Meine Mummy nicht.«
Ich schaute die Frau an. Sie bekam einen roten Kopf und zuckte mit den Achseln. »Es… es ist schwer, Sir, dem Jungen zu glauben. Er hat eine große Phantasie. Er liest viele Abenteuer-Geschichten. Da kommt es vor, daß er mal mehr sieht oder sehen will als andere.«
»Trotzdem bin ich davon überzeugt, daß er mit seiner Aussage auf dem richtigen Weg ist.«
»Wenn Sie das meinen, Sir.« Sie verabschiedete sich und zog ihren Sohn mit. Als sie gingen, vernahmen wir noch Billys Stimme.
»Mummy, wenn ich groß bin, werde ich auch Polizist. Da erlebt man ja so richtig spannende Sachen. Wie…«
Suko und ich konnten uns ein Lächeln nicht verkneifen, während Tanner über sein Kinn schabte.
Weitere Kostenlose Bücher