037 - Das Geheimnis der Knochengruft
die Lippen des Mannes. Er wurde auf
die Seite gedreht, weil er es aus eigener Kraft nicht schaffte. Wie durch eine
Milchglasscheibe erblickte er die schemenhaften Umrisse eines jugendlichen
Körpers und hörte die Stimme einer Frau. Sie sprach französisch, aber mit
Akzent.
Er spürte, wie sein Kopf angehoben wurde und hörte, dass jemand die Hunde
auf die Seite schleifte. In abgehackten Sätzen sprudelte es aus ihm heraus, was
sich während der letzten Minuten ereignet hatte.
»Ich bringe Sie zu einem Arzt«, hörte er.
»Wie kommen Sie hierher?«, wollte er wissen. Seine Stimme schwankte. »Wer
sind Sie?«
»Ich habe mich verfahren. Ich hörte das Bellen und Jaulen und Ihre Schreie.
So habe ich Sie gefunden. Mein Name ist Morna.«
»Vielen Dank, Morna«, flüsterte er. »Ich fürchte, Sie können nicht sehr
viel für mich tun. Lassen Sie mich hier liegen und gehen Sie so rasch wie möglich
zu Ihrem Wagen zurück! Wer weiß, ob man nicht auch auf Sie die Hunde hetzt. Sie
haben noch mehr von diesen prachtvollen Exemplaren drüben im Schloss.«
Es war, als hätte er sich noch einmal zusammengenommen um diesen Satz ohne
Unterbrechung über seine Lippen zu bringen. Dann ging es schnell mit ihm zu
Ende. Morna Ulbrandson sah, dass jede ärztliche Hilfe zu spät kam. Der Fremde
hatte schon zu viel Blut verloren.
Der Unbekannte murmelte noch einiges Unverständliche vor sich hin. Dabei
fiel der Name Yvette Revlon.
»Man muss sich um sie kümmern ... sie ist im Schloss ... vielleicht ...
ich ...« Sein Kopf fiel zur Seite.
Morna Ulbrandson erhob sich. Alles um sie herum war totenstill.
Sie ging zur Straße zurück, ohne noch einen Blick auf den Unbekannten und
die beiden Hunde zu werfen, die im Strahl der Smith & Wesson Laserwaffe ihr
Leben ausgehaucht hatten.
Morna versuchte, das unheimliche Geschehen in das Mosaik einzureihen, das
sie sich im Stillen bereits von dem Fall gemacht hatte, auf den X-RAY-1 sie angesetzt
hatte.
Die junge Schwedin war aus Paris herausgefahren, um einen ersten Eindruck
von dem geheimnisumwitterten Schloss zu bekommen. Allzu viel hatte sie von dem
Gebäude nicht gesehen. Doch das Ereignis, dessen Zeuge sie geworden war, sprach
für sich. Ernst ging die hübsche Agentin zu ihrem hinter einer Buschgruppe
abgestellten Wagen und fuhr langsam den Weg zurück, den sie gekommen war.
Wenig später befand sie sich auf der Hauptstraße, die direkt nach Paris
führte. Fünfzehn Kilometer lagen noch vor ihr. Sie konnte nur im Schritttempo
fahren, so dicht war der Smog. X-GIRL-C erreichte ihre Unterkunft wenige
Minuten vor Mitternacht. Es war eine kleine Pension an der Seine mit dem Namen Les Baines.
●
Der Morgen des 24. Oktober brachte
eine leichte Wetterbesserung – der Himmel riss auf.
Die Flüge, die noch am vergangenen Tag ausgefallen waren, wurden neu
angesetzt.
Larry Brent traf mit vierundzwanzig Stunden Verspätung in Paris ein und
fuhr in einem Taxi zur Pension Les
Baines, deren Besitzer ein Mittelsmann der PSA war.
Der Portier zeigte Larry das saubere kleine Zimmer. »Wenn Sie gleich ein
Frühstück bestellen wollen, dann ist dies ohne weiteres möglich, Monsieur«,
meinte er. »In einer halben Stunde wird serviert. Ich werde einen Platz für Sie
decken lassen, Monsieur Brent.«
»Vielen Dank!«
Als er sich eine halbe Stunde später einfand, wurde ihm der Tisch gezeigt,
an dem der Platz für ihn reserviert und ein zweites Gedeck aufgelegt war.
Larry erhielt heißen Kaffee, ein weiches Ei, frische Butter und leicht
gebräunten Toast. Er war gerade dabei, das Ei zu köpfen, als eine Dame an
seinen Tisch trat.
»Guten Morgen!«
»Guten Morgen!« Larry blickte lächelnd auf. »Morna!« Er schob den
Eierbecher zurück und erhob sich. Die junge Schwedin drückte Larry lachend auf
den Stuhl zurück.
»Surprise?«, fragte sie.
Er nickte. »Obwohl ich wusste, dass wir uns treffen. Aber ausgerechnet
hier, und dann so schnell ...«
»Unser geheimnisvoller Chef hat eine Schwäche für besondere Gags, scheint
mir.« Sie nahm ihm gegenüber Platz.
Während des Frühstücks kamen sie auf die ersten Probleme zu sprechen. Morna
Ulbrandson berichtete von ihrem Erlebnis in der vorletzten Nacht. »Ich bin am
nächsten Tag noch einmal hingefahren. Die Hunde und der Tote waren spurlos
verschwunden, und in dem Polizeibericht wird keine Silbe davon erwähnt, dass
man einen Toten gefunden hat!«
»Merkwürdig«, murmelte Larry. »Aber vielleicht doch verständlich, wenn man
bedenkt,
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