037 - Quellen der Lust + Die Mätresse des Prinzen
zurückgeschnitten werden und welche im Frühjahr neu gepflanzt werden sollten. Und sie sollte sich auf Little Longstones jährliches Herbstfest freuen, das morgen stattfand, und nicht in Trübsal versinken.
Sie seufzte tief auf, und das Glas beschlug, sodass sie sich zurücklehnte und die Scheibe abwischte. Dabei schob sie das Neidgefühl beiseite, das in ihr aufstieg. Sie freute sich für Catherine, wirklich. Das verzweifelte, schmerzliche Gefühl der Leere würde vergehen. Als eine innere Stimme ihr zuflüsterte, sie machte sich etwas vor, straffte sie die Schultern und hob das Kinn. Unsinn. Sie war nicht allein. Sie hatte Baxter. Und Sophia. Und heute hatte sie auch Mr. Cooper. Und das musste ganz einfach genügen. Sie hatte sehr schmerzlich erfahren müssen, was geschah, wenn man zu viel vom Leben erwartete.
Natürlich war Mr. Cooper vermutlich von Krankheit gebeugt und betagt und hatte ein Cottage in Little Longstone aus denselben Gründen gemietet wie die meisten anderen Leute – wegen des medizinischen Nutzens der heißen Quellen. Wie auch Genevieves Anwesen besaß Dr. Olivers eine eigene private Quelle, die für Mr. Cooper zweifellos die Hauptattraktion darstellte. Vermutlich wollte er sich über seine verschiedenen Leiden unterhalten. Sie zuckte die Achseln. Wenigstens war er jemand, mit dem sie reden konnte. Sophia war eine gute Zuhörerin, aber leider keine gute Gesprächspartnerin.
„Mr. Cooper für Sie“, hörte sie Baxters Stimme von der Tür her. Sie drehte sich um und erstarrte beim Anblick des ganz und gar nicht betagten Mr. Cooper, der keineswegs von Krankheit gebeugt war. Tatsächlich wäre sie erstaunt, wenn er die dreißig bereits überschritten hätte. Vor Überraschung hatte es ihr ganz ungewohnterweise die Sprache verschlagen, und sie starrte ihn einfach nur an. Er wirkte ähnlich verblüfft wie sie. Aus grünen Augen sah er sie durchdringend an, und ein paar Sekunden lang vermochte sie sich nicht zu rühren, vergaß sogar zu atmen.
So wie er sie ansah – als würde er sie kennen. Aber das war lächerlich. Sie waren einander noch nie begegnet. Diesen Mann hätte sie nicht vergessen.
Der seltsame Bann, unter dem sie stand, wurde gebrochen, als er mit einer Anmut auf sie zuging, die keinen Zweifel daran ließ, dass er keinesfalls unter irgendwelchen Gebrechen litt. Stattdessen war dieser hochgewachsene, gut aussehende, breitschultrige Mann das gesündeste Wesen, das sie seit Langem gesehen hatte, eine Tatsache, die sogleich ihr Misstrauen neu erweckte. Warum mietete er ein Cottage in einem obskuren Dorf wie Little Longstone und nicht in einem modischeren Ort wie Brighton oder Bath?
Vor ihr blieb er stehen und verneigte sich förmlich. „Mrs. Ralston“, sagte er mit tiefer, ein wenig heiserer Stimme. „Simon Cooper. Ihr neuer Nachbar, zumindest für die nächsten vierzehn Tage. Ich bin entzückt, Ihre Bekanntschaft zu machen.“
Genevieve ertappte sich dabei, dass sie in diese betörenden grünen Augen sah, in denen etwas lag, das sie nicht enträtseln konnte – etwas, das auf unerklärliche Weise ihr Blut in Wallung versetzte, sodass ihr warm wurde an Stellen, die schon lange keine Glut mehr empfunden hatten.
Gewiss wurde ihr nur heiß, weil er sie überrascht hatte, nicht, weil sie sich zu ihm hingezogen fühlte – oder er sich zu ihr. Sie warf einen Blick auf ihre behandschuhten Hände. Das alles hatte sie hinter sich.
Als sie die Fassung zurückgewonnen hatte, neigte sie den Kopf. „Ganz meinerseits, Mr. Cooper.“
Er reichte ihr den Strauß rosa Rosen. „Für Sie.“ Dabei lächelte er und lenkte damit die Aufmerksamkeit auf seinen Mund. Seinen sehr schönen Mund. Die Sorte Mund, die fest und weich aussehen konnte, ernsthaft und sinnlich, alles zugleich. Seine perfekt geformten Lippen sahen aus, als wüsste er, wie man küsst. Sehr genau.
Nach kurzem Zögern griff sie nach den Blumen. Wie sie es immer tat, vermied es dabei sorgfältig, ihn zu berühren. Doch er bewegte die Hand, und sie streifte seine Finger, erstarrte. Wärme durchdrang ihre dünnen Handschuhe, sodass eine Gänsehaut ihren Arm überlief, etwas, das sie überraschte und beunruhigte. So ein Erschauern hatte sie schon lange nicht mehr verspürt. Sie zog ihre Hand weg und trat ein paar Schritte zurück. „Vielen Dank“, murmelte sie. „Ich mag Rosen.“
Sie brauchte einen Moment, um sich zu sammeln, daher ging sie über den türkischen Teppich und zog an dem Glockenstrang, um nach Baxter zu läuten.
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