037 - Quellen der Lust + Die Mätresse des Prinzen
Radcliffe fehlte, ebenso wie der letzte Band von Gibbons „Aufstieg und Niedergang des Römischen Reiches“. Als sie jedoch den letzten leeren Platz sah, verschwand ihr Lächeln.
Warum hatte Mr. Cooper Charles Brightmores „A Ladies’ Guide to the Pursuit of Personal Happiness and Intimate Fulfillment“ ausgeliehen?
Die Verdächtigungen, die sie zuvor beiseite geschoben hatte, kehrten mit aller Macht zurück, und Furcht schnürte ihr die Kehle zu, ein Gefühl, auf das zu achten sie gelernt hatte. Vor allem, weil es erst wenige Monate her war, seit jemand Brightmores Tod gewünscht hatte: so groß war der Aufruhr gewesen, den seine skandalösen Schriften mit ihrem Ruf nach sexueller Unabhängigkeit der Frau verursacht hatten. War es möglich, dass das Gerücht über Charles Brightmores Abreise nach Amerika den Drohungen gegen ihn kein Ende gesetzt hatte?
Sie konnte nur hoffen, dass dem nicht so war, denn Charles Brightmore lebte hier in Little Longstone. Tatsächlich sah sie diesen fiktiven Mann jeden Morgen, wenn sie in den Spiegel blickte. War ihre geheime Identität in Gefahr, aufgedeckt zu werden?
Sie presste die Hände auf den Bauch und holte tief Luft. Lieber Himmel, war es möglich, dass mehr hinter Mr. Coopers Besuch steckte, als er zugegeben hatte? War er angeheuert worden, um Charles Brightmore zu finden? Oder schlimmer noch – ihm zu schaden?
Sie wusste es nicht, aber sie war fest entschlossen, das herauszufinden.
5. KAPITEL
Nachdem er sich am nächsten Nachmittag davon überzeugt hatte, dass er nicht beobachtet wurde, verließ Simon Mrs. Ralstons Cottage und begab sich geschwind ins Dorf. Er zog seine Uhr aus der Westentasche und sah nach, wie spät es war. Fast eins, beinahe eine Stunde nach dem mit ihr vereinbarten Zeitpunkt. Er schob die Uhr zurück und beschleunigte seine Schritte.
Sobald er beobachtet hatte, wie sie und Baxter um Viertel vor zwölf das Cottage verlassen hatten, war er hineingeschlüpft und hatte seine Suche nach dem Brief fortgesetzt. Unglücklicherweise war ihm nicht mehr Erfolg beschieden als bei seiner letzten Jagd danach. Gern wäre er länger geblieben, doch das wagte er nicht aus Angst, sie könnte zurückkehren und ihn an einem Ort antreffen, an dem er nichts zu suchen hatte.
Verdammt, was hatte sie nur mit dem verfluchten Brief gemacht?
Wenn doch nur ihre Katze Sophia sprechen könnte. Das Tier war ihm von Raum zu Raum gefolgt, hatte sich an seinem Bein gerieben und laut geschnurrt. Als er sie zwischen den Ohren gekrault und gefragt hatte, wo der Brief versteckt war, hatte sie ihm nur den Kopf entgegengestreckt und noch lauter geschnurrt. Und Simon hatte sich selbst die Frage gestellt, deren Antwort er am meisten fürchtete: Was, wenn Mrs. Ralston den Brief vernichtet hatte?
Zu allem entschlossen, eilte er in ihr Schlafgemach. Er hatte sich gesagt, dass er, wenn das der Fall war, einfach nach London zurückkehren müsste, seine Ermittlungen fortsetzen und Waverly zusammen mit Miller und Albury überzeugen, dass er unschuldig war und ihre Hilfe brauchte. Gewiss wussten sein Mentor und seine beiden engsten Freunde im Grunde ihres Herzens, dass Simon nicht schuldig war. Irgendwo wusste irgendjemand etwas, kannte die Wahrheit, und wenn der Brief wirklich verschwunden sein sollte, würde Simon diese Wahrheit finden.
Während er Mrs. Ralstons Schlafgemach noch einmal durchsuchte, hasste er sich für die Art und Weise, mit der er seine Hände über ihre Kleider gleiten ließ und über ihren Parfümflakon. Nie zuvor in seinem Leben war er so von Verlangen erfüllt gewesen, und ganz gewiss noch nie während einer Ermittlung. Die Tatsache, dass er eine Frau so sehr begehrte, deren Unschuld zweifelhaft war, nagte an ihm.
Verdammt, er hatte nur einen Blick auf sie in ihrem nassen Hemd geworfen, und schon hatte es ihm die Sinne geraubt. Während seiner Suche musste er sich dazu zwingen, sich auf die Aufgabe zu konzentrieren, die vor ihm lag – darauf, den Brief zu finden, den Brief, der ihm das Leben retten würde.
Doch während er die Botschaft nicht gefunden hatte, hatte er etwas gänzlich Unerwartetes entdeckt. Er war neugierig gewesen auf das, was sie in der Nacht, da er sich in ihrem Schlafgemach versteckt hatte, geschrieben hatte, und war zu ihrem Sekretär gegangen. Er erinnerte sich an die Worte auf dem Stapel Papier, die er in der obersten Schublade ihres Sekretärs gefunden hatte.
„Die moderne Frau von heute sollte nicht zögern, ihren Mann zu verführen.
Weitere Kostenlose Bücher