037 - Quellen der Lust + Die Mätresse des Prinzen
den Schultern. „Tiere mögen mich.“
Himmel – der Anblick seiner langen, sehnigen Finger, während er die Katze streichelte, verursachte Genevieve ein Kribbeln in der Magengrube.
„Erzählen Sie mir mehr über Ihre Schwächen“, sagte er.
Sie zwang sich, den Blick von der streichelnden Hand abzuwenden. Mehr von ihren Schwächen? Das wagte sie nicht. Vor allem, da es so aussah, als hätte sie eine für ihn. „Meine habe ich schon gestanden. Jetzt sind Sie an der Reihe.“
Mit einer Hand streichelte er die schläfrige Katze, mit der anderen hielt er die Teetasse, aus der er dann und wann nippte, ohne Genevieve aus den Augen zu lassen. Sein unverwandter Blick brachte sie auf eine Weise in Verlegenheit, die sie nicht zu zeigen wagte. Doch bei all ihrer äußerlichen Ernsthaftigkeit fühlte sie doch in ihrem Inneren etwas, das sie lange vergessen geglaubt hatte, das sie aber oft genug empfunden hatte, um ohne Zweifel zu erkennen, was es war.
Verlangen.
Ein Verlangen, dem sie nicht folgen wollte. Nicht folgen konnte. Und deshalb wollte sie es nicht empfinden. Was bedeutete, dass sie diese spontane Teegesellschaft so schnell wie möglich beenden und ihren viel zu gut aussehenden Gast wieder ziehen lassen sollte. Doch wenn sie ihn zu abrupt fortschickte, würde er sich ohne Zweifel fragen, warum sie das tat, ob sie vielleicht irgendein Interesse an ihm hatte.
Zehn Minuten. Sie würde ihm noch zehn Minuten geben. Das war genügend Zeit, um nicht unhöflich zu erscheinen oder Fragen aufzuwerfen. Sie würde seine Gesellschaft ertragen und ihr unerwartetes und unerwünschtes Verlangen noch für weitere zehn Minuten verbergen.
„Wir teilen die Schwäche für Bücher“, sagte er.
„Ach ja? Was lesen Sie gern?“
„Alles. Jedes. Kürzlich las ich Frankenstein, es hat mir sehr gefallen. Shakespeare und Chaucer sind meine Lieblingsautoren. Da ich an all die Stille hier auf dem Land nicht gewöhnt bin, wird mir, so fürchte ich, bald der Lesestoff ausgehen, ehe mein Aufenthalt in Little Longstone vorüber ist.“
„Ich besitze einige Bücher. Ehe Sie gehen, dürfen Sie sich gern etwas aus meiner Sammlung ausleihen.“
Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, so bedauerte sie sie auch schon. Was dachte sie sich nur? Wenn er sich Bücher auslieh, bedeutete das bloß, dass er noch einmal wiederkommen musste, um sie zurückzugeben.
„Ein sehr großzügiges Angebot. Vielen Dank. Was lesen Sie gern?“
„Wie Sie – einfach alles. Sir Walter Scott. Die Gedichte von Blake, Lord Byron und Wordsworth. Die Schauergeschichten von Mrs. Radcliffe. Erst kürzlich habe ich Aufstieg und Niedergang des Römischen Reiches gelesen.“
Er zog die Brauen hoch. „Das ist allerdings ein Unterschied zu Mrs. Radcliffes Romanen.“
„Das stimmt. Aber ich mag Abwechslung.“
„Abwechslung ist die Würze des Lebens, sie gibt allem den Geschmack“, sagte er leise.
Genevieves Herz schlug schneller. Der heisere Klang seiner Stimme schien anzudeuten, dass sie etwas sehr viel Intimeres als Poesie besprachen.
„William Cowper“, murmelte sie.
„Einer meiner Lieblingsdichter.“
„Einer meiner auch.“
„Wie es scheint, haben wir einiges gemeinsam, Mrs. Ralston.“
Genevieve achtete nicht auf das unverhohlene Interesse, das in seiner Stimme lag. In seinen Augen. „Offensichtlich mögen Sie Katzen.“
„Ich mag alle Tiere.“
„Besitzen Sie Haustiere?“
„Nicht im Moment, aber früher hatte ich welche. Ich erwäge, mir einen Hund zuzulegen.“
„Dann sollten Sie dem jährlichen Herbstfest im Dorf beiwohnen. Dort gibt es nicht nur Buden mit Speisen und Getränken, sondern auch immer einige Familien, die Hundewelpen verkaufen.“
„Eine ausgezeichnete Idee. Ich werde hingehen – wenn Sie mich begleiten.“
Genevieve achtete nicht auf den schnellen Schlag ihres Herzens. Sie öffnete den Mund, um abzulehnen, doch ehe sie das tun konnte, fuhr er fort: „Einen Hund auszusuchen ist eine ernste Angelegenheit und erfordert eine zweite Meinung.“ In seinen Augen blitzte es übermütig. „Sie wollen doch nicht, dass ich den falschen Hund wähle, oder?“
„Auf dem Fest wird es Dutzende von Leuten geben, die Ihnen aussuchen helfen können.“
„Vielleicht. Aber ich bevorzuge Ihre Meinung.“
„Und warum das?“
Er trank den letzten Schluck Tee aus, stellte die leere Tasse auf den Tisch, dann legte er eine Hand auf Sophias Rücken, damit sie nicht fortlief, und beugte sich vor. Ihre Gesichter waren jetzt kaum noch
Weitere Kostenlose Bücher