037 - Quellen der Lust + Die Mätresse des Prinzen
Worten zufolge sein Mörder genannt wurde und der damit Simons Namen reinwusch, linderte sein Verlangen.
Was zum Teufel stimmte nicht mit ihm?
Er verzog das Gesicht und knöpfte seinen Überrock zu – zum Glück war das Wetter kühl genug, um einen Überrock erforderlich zu machen. Dann ging er weiter. Wenige Minuten später erreichte er die ersten Häuser des Dorfes. Der Geräuschteppich aus Stimmen, Gesang, Musik und dem aufgeregten Kreischen der Kinder wurde lauter, je näher er kam, und deutlicher wurden auch die Gerüche der verschiedensten Speisen.
Simon blieb im Schatten eines großen Backsteinhauses stehen und sah sich um.
Dutzende bunte Stände umgaben den Dorfplatz, und Händler riefen die Vorübergehenden an in der Hoffnung, sie mit ihren Waren zu locken. Mehrere hundert Menschen, viel mehr, als er erwartet hatte, schlenderten umher, kauften Kleinigkeiten, Haushaltswaren, holten sich etwas zum Essen und zum Trinken. Auf der anderen Seite des Platzes gab es eine freie Fläche, wo eine Gruppe von Kindern einander im Kreis herum jagte. Ein Quartett von Musikanten spielte auf und erfüllte die kühle Luft mit ihrer heiteren Melodie.
Er ließ den Blick über die Menge schweifen und hielt inne, als er Mrs. Ralston auf der gegenüberliegenden Seite sah. Ihm stockte der Atem. Sie trug eine kornblumenblaue Pelerine und eine passende Haube und stand im Sonnenlicht da, während sie zu ihrem riesigen Diener hinauf lächelte. Zu Simons Unmut fühlte er, wie erneut das Verlangen in ihm aufstieg und sein Herz eine Art Kunststück vollführte – es machte einen Satz, so wie am Vortag, als er sie besucht und sie zum ersten Mal aus der Nähe und bei Tageslicht gesehen hatte.
Es gab keinen Zweifel, dass Genevieve Ralston eine exquisite Erscheinung war. Ihre porzellanweiße Haut war makellos, ihre großen Augen himmelblau, sie besaß feine Züge, volle Lippen, honigblondes Haar – es fiel ihm nicht schwer zu verstehen, warum Ridgemoor sie als seine Mätresse genommen hatte. Und wieder fragte er sich, warum der Earl einer so schönen Frau müde geworden war – eine Frage, die ihn wirklich verwirrte, nun, da er dank ihres Ladies’ Guide wusste, welche Expertin sie im Schlafgemach war. Als er am Vortag ihren Salon betreten hatte, hatte ihr Anblick ihn wie ein Schlag getroffen. Lust hatte er schon zuvor empfunden, aber nie so etwas.
Nie auf so einem direkten, körperlichen Niveau. Gewiss lag das nur an dem Umstand, dass er sie in dem feuchten Hemd gesehen hatte, ein Anblick, der sich seinem Gedächtnis eingebrannt hatte.
Doch noch als er sich das sagte, konnte er nicht leugnen, dass sie etwas an sich hatte, etwas, das er nicht zu benennen vermochte, etwas, das ihn aus dem Gleichgewicht brachte. Vielleicht war es die unerwartete Verletzlichkeit, die sie umgab. Er sah sie in ihren Augen, das und ein gewisses Zögern, eine Unsicherheit, die er an einer so erfahrenen Frau nicht erwarten würde. Die Tatsache, dass es sie überrascht hatte, als er mit ihr flirtete, gefiel ihm, und sie verwirrte ihn. Oh, sie hatte die Fassung schnell wiedergewonnen, doch es gab keinen Zweifel daran, dass es sie verunsichert hatte. Aber warum? Eine Frau mit ihrem Aussehen war sicher an die Aufmerksamkeiten eines Mannes gewöhnt.
Als er sich jetzt umsah, bemerkte er tatsächlich, wie mehrere Männer zu ihr hinsahen, eine Tatsache, die ihn dazu brachte, die Zähne zusammenzubeißen. So wie in jener ersten Nacht in ihrem Schlafzimmer fragte er sich, ob sie einen Liebhaber hatte. Sollte das nicht der Fall sein, so war das allein ihre Entscheidung. Denn er konnte sich nicht vorstellen, dass es irgendeinen lebenden Mann gab, der sie nicht begehrte.
Nicht, dass das eine Rolle spielte. Natürlich nicht. Doch er mochte keine Fragen, auf die er keine Antwort fand. Und auch nicht, dass er sich ständig in Gedanken mit ihr beschäftigte. Die Tatsache, dass er sich immer wieder daran erinnern musste, dass mehr in ihr steckte, dass sie nicht nur eine tugendsame Witwe war, die ein einfaches Leben führte, dass sie Geheimnisse barg – von denen mindestens eines ihn das Leben kosten konnte – beunruhigte und verwirrte ihn. Er musste sich auf seine Mission konzentrieren und sich daran erinnern, dass Genevieve Ralston nur ein Mittel zum Zweck war.
Nachdem er sich das ins Gedächtnis zurückgerufen hatte, überquerte er den Platz und bahnte sich den Weg durch die Menge auf sie zu. Dabei bemerkte Baxter ihn und warf ihm einen Blick zu, der ihm vermutlich
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