0372 - Werwolf-Omen
Schritte vernahm ich nicht, aber das Öffnen der Tür konnte einem nervenschwachen Menschen schon eine Gänsehaut über den Rücken treiben. So sehr quietschte und knarrte sie.
Sie wurde nur so weit aufgezogen, wie es der Schulterbreite eines Menschen entsprach. Ich erkannte die Person nur mehr undeutlich, wußte aber, daß ich es mit einer Frau zu tun hatte, auch ohne daß bisher ein Wort über ihre Lippen gedrungen war.
»Guten Abend!« grüßte ich höflich.
»Was wollen Sie?« Sehr abweisend klang die Stimme. Das konnte ich der Person nicht einmal verübeln. Ich hätte an ihrer Stelle auch nicht anders gehandelt.
»Ich möchte mit Ihnen reden.«
»Um diese Zeit?«
»Es ergab sich so.«
»Aber ich will von Ihnen nichts. Verschwinden Sie! Hier gibt es auch nichts zu stehlen.«
»Deswegen bin ich auch nicht gekommen. Es handelt sich um ein anderes Problem. Haben Sie schon mal etwas von einem Werwolf gehört?«
»Nein!«
Die Antwort war mir viel zu schnell gekommen, um ehrlich zu sein. »Vielleicht haben Sie einen gesehen, Mrs…?«
»Verschwinden Sie.«
Es lag am Tonfall ihrer Stimme, daß ich vortrat und so reagierte, wie ein Vertreter es nicht machen sollte. Ich stellte nämlich einen Fuß in den Türspalt.
Genau im richtigen Augenblick. Die Tür knallte nicht zu, sie traf meinen Fuß, der Spalt blieb, und bevor die Frau noch etwas anderes unternehmen konnte, hatte ich die Tür schon so weit geöffnet, daß ich das Haus betreten konnte.
Die Frau war zurückgewichen. Sie stand nahe an der Kellertür und auch der Garderobe. Ich erkannte, daß sie etwas Längliches in der Hand hielt! Mein Gefühl warnte mich zu spät, denn die Frau rammte das Lange vor und traf mich hart über der Gürtelschnalle.
In meinem Magen explodierte der Schmerz. Ich gab ein würgendes Geräusch von mir, knickte zusammen und hörte, wie die Frau über meinen Kopf hinweg folgende Worte sprach.
»Jetzt werde ich dich erschießen, du Bastard!«
Alles, nur das nicht!
Aber, was zum Henker, sollte ich dagegen unternehmen. Sie hielt im Moment alle Trümpfe in der Hand, während ich noch immer mit dem Schmerz in meinem Körper zu kämpfen hatte.
»Soweit kommt das noch!« hörte ich ihre böse Stimme. »Hier einfach eindringen, dumme Fragen stellen und…«
»Es ist nicht so!« preßte ich hervor und richtete mich langsam wieder auf. Sie hatte nichts dagegen, schließlich preßte sie die Mündung der Waffe noch immer in meinen Leib.
Ich schaute sie an.
Unsere Blicke begegneten sich. Da in der Diele kein Licht brannte, war es einfach zu dunkel, um etwas Genaueres erkennen zu können.
So sah ich nur mehr das Funkeln ihrer Augen. Zum Glück wären es menschliche Augen und nicht die gelblich schimmernden eines Werwolfs. Ich sah auch noch das Zucken ihrer Lippen und fragte leise: »Wollen Sie sich einen Mord auf Ihr Gewissen laden?«
»Na und?«
»Das wäre fatal. Sie…«
»Nein«, unterbrach sie mich. »Sie, Mister, reden zuviel. Und das habe ich mir gemerkt…«
Ich stand gerade. Wie gefährlich die Frau tatsächlich war, wußte ich nicht. Ein Profi war sie nicht, sonst hätte sie mich nicht so dicht an sich herankommen lassen. Aber ich stufte sie als unberechenbar ein. Und das sind oft die schlimmsten.
Diesmal explodierte ich.
Meine Bewegungen waren mit den Augen kaum zu verfolgen, so schnell ging alles. Ich schlug den Gewehrlauf nach unten, warf mich gleichzeitig zur Seite und hörte den in dieser Enge überlaut klingenden Abschußknall der Waffe.
Dieses Weib war fest entschlossen, mich zu töten. Wie jemand, der nichts mehr zu verlieren hat.
Ich lag nicht am Boden. Die geschlossene Haustür hatte mich aufgehalten. Meinen Karatetritt hielt nichts auf. Der Fuß traf die Schulter der Frau und lahmte ihren Arm.
Bevor sie noch herumwirbeln und erneut auf mich anlegen konnte, wurde ihr die Waffe zu schwer. Sie hatte zudem nur mit der rechten Hand gehalten. Das Gewehr polterte zu Boden, und als sie mit der Linken nachgreifen wollte, war ich wieder schneller und stellte meinen Fuß auf den Lauf.
»So nicht, Madam!«
Sie zuckte zurück, wollte in die Dunkelheit nahe der Kellertür tauchen, und ich hörte ihr schweres Atmen.
»Bleiben Sie stehen!«
Sie gehorchte tatsächlich. Als ich das Gewehr aufhob, ließ ich sie nicht aus den Augen. Ich entlud die Waffe und schleuderte sie weg.
»So, jetzt können wir uns unterhalten.«
»Was wollen Sie?«
»Mit Ihnen reden.«
»Aber ich…«
Ich war es leid und ging auf sie
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