0373 - Echsenmenschen greifen an
»Vergiß nicht, Assok, daß dieses Experiment ein Leben gefordert hat! Dieser Preis ist zu hoch! Ein Leben für einen Kontakt - wer von uns möchte denn sterben, damit die anderen Verbindung mit einer anderen Welt aufnehmen können, die uns so fremd ist wie der fernste Stern? Oder, wenn sich kein Freiwilliger findet, wen verurteilen wir, zu sterben?«
Assok grinste. »Vielleicht rottet sich die Priesterschaft der Kälte so selbst aus, wenn sie die Freiwilligen aus ihren eigenen Reihen bestimmt…«
Über die eigenwillige Formulierung konnte Norr nicht einmal lachen, obgleich sie bestimmt ins Schwarze traf, was die Methoden der Priesterschaft anging: Freiwillige bestimmen!
»Wichtig ist, daß du die Nachricht bringst, ein intelligentes Wesen sei aus der anderen Welt in unsere geholt worden und befinde sich im Tempel der Kälte! Und wenn es Befragungen gibt, dann von allen Forschern, nicht nur von den Kältepriestern. Das muß in deinem Artikel einwandfrei herauskommen, Assok: Befragung! Nicht Untersuchung oder gar Vivisektion…«
Assok nickte. »Das wird mir ein Vergnügen sein… liege ich mit meiner Vermutung richtig, daß die Priesterschaft alles getan hat, um die Existenz dieses seltsamen Wesens zu verheimlichen?«
Norr nickte. »Das brauchst du aber nicht zu schreiben; weil sich das ohnehin jeder denken kann. Aber wie ist es möglich, daß ich gestern nachmittag erst aus deiner Zeitung erfuhr, welches Experiment Gatnor von den Sümpfen beabsichtigte? Wie konnten deine Berichterstatter schneller sein als meine Beobachter?«
Assok lachte. »Damit gibst du zu, Beobachter in den Tempel geschleust zu haben, Norr…«
»Das behauptest du, Assok! Aber willst du mir meine Frage nicht beantworten?«
»Wäre ich Wissenschaftler, Priester oder beides, würde ich behaupten, daß es an der Ausbreitung des Chaos liegt, Norr! Hast du noch weitere Informationen für mich, die ich in dem Artikel unterbringen kann?«
»Ich lasse sie dich wissen, sobald ich sie selbst habe«, versprach Reek Norr und verließ die Redaktion. Er fragte sich, wenn Assok eigentlich einmal schlief. Zu welcher Tages- und Nachtzeit man ihn auch störte, er war immer wach und bei der Arbeit.
So auch jetzt.
Norr rieb sich die Hände. Assok würde vielleicht nicht ganz so schreiben, wie es sich Norr wünschte, aber er würde sich schon allein deshalb anstrengen, weil er so dem Kälte-Tempel eine auswischen konnte. Der Redakteur mochte die Kälte-Priester nicht. Er gehörte zu jenen, die froh waren, daß ein Überwachungsamt geschaffen worden war und ein Mann wie Reek Norr es mit seinem Assistenten Shats ausfüllte.
Am Nachthimmel schickte sich der Mond allmählich an unterzugehen. Im Osten zeigte sich ein leichter heller Streifen. Es wurde bald Tag, aber Reek Norr spürte keine Müdigkeit, obgleich er nun schon fast 24 Stunden ununterbrochen auf den Beinen war. Aber er dachte an Ti-Ak Shats, der allmählich mit dem Luftkissenfahrzeug wieder auftauchen mußte. So lange konnte es doch nicht dauern, die Zündung kurzzuschließen.
Plötzlich hatte Norr das Gefühl, daß beim Tempel etwas nicht stimmte.
Es war eine seiner Ahnungen, die der natürlichen Para-Begabung seiner Rasse entsprang. Er setzte sich in Bewegung. Im Laufe der Jahre hatte er gelernt, auf seine Ahnungen zu hören. Wenn da etwas faul war, konnte es sich nur um das Fremdwesen handeln. Versuchten Gatnor und seine Mit-Priester, noch in der Nacht Forschungen und Studien an dem Gefangenen zu betreiben?
Reek Norr begann zu rennen…
***
In der Hoteletage wurde es laut. Andere Gäste in den benachbarten Zimmern hämmerten entrüstet gegen die Wände oder die Tür und verbaten sich den ruhestörenden Lärm. Das Zimmertelefon läutete.
»Klingeln lassen«, empfahl Nicole.
»Dann kommen sie erst recht und sehen nach«, gab Zamorra zu bedenken und hob ab. »Zimmer dreizweifünf«, meldet er sich und hoffte, Teds Stimme einigermaßen nachahmen zu können.
Man fragte höflich, aber bestimmt nach dem Grund des frühestmorgendlichen Radaus.
»Ich bitte um Verzeihung. Es wird ab sofort ruhig sein«, versprach Zamorra in seinem besten italienisch und legte wieder auf, ohne den Grund näher erläutert zu haben. Dann wandte er sich diesem Grund zu, während durch das zerstörte Balkonfenster ein nächtlich kühler Windhauch ins Zimmer drang.
Er drehte den Echsenmann auf den Rücken. Die Toga ließ sich an einer raffiniert angebrachten Spange mühelos öffnen und klaffte weit auf. Zamorra
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