0374 - Der Inka-Henker
momentan Ruhe, so daß ich abkömmlich war, wie man so schön sagt.
Aber nur ich. Mein Freund Suko hatte die Stellung halten müssen, was er nicht einmal ungern tat, da seine Partnerin Shao einiges mit ihm unternehmen wollte.
Ich war nach Spanien geflogen, hatte mit Jaime Lazarro gesprochen und war in groben Zügen in den Fall eingeweiht worden.
Auch dieser Mann hatte eine seltsame Stimme aus dem Jenseits gehört und mir erklärt, wo ich das Grab Juan Lazarros finden konnte.
Nördlich, aber nicht weit von Barcelona entfernt, wo bereits die Ausläufer der Pyrenäen begannen und kleine Orte lagen, die noch nicht von Touristen eingenommen wurden. Ich war in das Dorf mit dem Namen Porros gefahren und hatte mich mit dem Pfarrer in Verbindung gesetzt. Diese Leute waren meist besser informiert als die Friseure. Sie wußten über die Leute und alles, was passierte, genau Bescheid. Padre Dorio enttäuschte mich nicht. Er war bestens über den Fall informiert. Er berichtete mir von einem Ernesto Lazarro, der ebenfalls zur Familie gehörte, sich allerdings von ihr getrennt hatte und sein eigenes Leben führte.
Auf ihn traf ich jetzt.
Der junge Mann schaute mich an wie einen Geist. Ich ging auf ihn zu und reichte ihm die Hand. Er nahm sie auch, drückte sie aber nicht, so perplex war er noch immer.
Padre Dorio lachte leise. »Sie sehen, Señor Sinclair, daß ich nicht übertrieben habe.«
»Nein, das haben Sie tatsächlich nicht, wenn alles stimmt, was der junge Mann gesagt hat.«
»Ich bin kein Lügner.«
»Das hat auch niemand von Ihnen behauptet, Ernesto.« Ich nahm Platz und schenkte mir einen Schluck Wein ein. Die rauhe Frühlingsluft hatte meine Kehle trocken werden lassen.
Wir saßen um einen runden Tisch, dessen dunkles Holz samten schimmerte. Es war eine gemütliche Stube, und besonders gefiel mir das große Kreuz an einer Wand, das zwischen zwei mit Regalen vollgestopften Büchern hing. Auch die Lampe gab einen warmen Schein ab, der als Kreis auf die Tischplatte fiel.
Ernesto schlug sich gegen seine Stirn. »Sie… Sie müssen entschuldigen, Señor Sinclair, aber das alles muß ich erst noch verkraften. So einfach ist das nicht, weil ich gedacht hatte, daß Sie mir nicht glauben, Padre. Also ich meine, ich …«
Der Geistliche winkte ab. »Schon gut, mein Lieber. Jetzt ist Señor Sinclair ja hier und kann sich der Sache annehmen.«
»Schafft er das denn?«
Padre Dorio nickte. »Davon gehe ich wohl aus. Sie haben einen guten Mann geschickt. Señor Sinclair hat Erfahrung, was Dinge betrifft, die für uns ein Rätsel sind.«
»Möglich, aber…«
»Lassen Sie mal gut sein«, sagte ich. »Und kommen wir zur Sache. Was genau hatten Sie vor, Ernesto?«
Der junge Mann tippte mit dem rechten Zeigefinger gegen seine Brust. »Ich hatte nichts vor. Ich wollte nur den Pfarrer warnen, damit er mir helfen kann.«
»Das wird er wohl. Oder vielmehr wir beide. Wissen Sie noch Einzelheiten über Ihren Ahnherrn?«
»Er war ein Verbrecher, ein Mörder, ein… ein …«
Ich winkte ab. »Schon gut, Ernesto. Das ist bekannt. Ich weiß selbst, wie sich die spanischen Konquistadores verhalten haben.«
»Ich kenne sein Grab.«
»Hier in der Nähe also?«
»Ja, und ich habe das Gefühl, daß er zurückkehren wird. Noch in dieser Nacht wird er die kühle Erde verlassen und sich auf den Weg machen.«
»Wohin?«
Padre Dorio meldete sich. »Sollte so etwas tatsächlich eintreffen, wobei ich nach wie vor skeptisch bin, kann ich mir nur vorstellen, daß es mit dieser Figur zusammenhängt.«
Ich nickte. »Wer weiß denn Genaueres darüber?«
»Das sind einige Historiker gewesen. Leider müssen wir uns da auf alte Schriftrollen verlassen, die man irgendwann einmal fand. Diese Figur soll der Inka-Henker gewesen sein. Man hat sich nur über das Aussehen gewundert.« Der Pfarrer lächelte. »Ich weiß auch nicht genau, wie ich das sagen soll. Aber der Henker soll gar nicht wie ein Inka ausgesehen haben, wie man vielleicht annehmen könnte.«
Ich verstand nicht so recht. »Wie meinen Sie das?«
»Erklären kann ich es Ihnen auch nicht, Señor, aber es ist nun mal so. Der sah anders aus.«
»Und wo steht er jetzt?«
Da lachte der Pfarrer. »Sie sind gut, Señor. Nirgendwo. Kein Museum hat die Figur ausstellen können. Sie ist irgendwo begraben, zugeschüttet. Die Jahrhunderte haben Sand über sie geweht.«
»Dann müßten wir sie ausgraben«, vermutete ich.
»Klar, wenn wir den Platz finden.«
Ich winkte ab. »Das klappt
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