0378 - Aufstand der Henker
Schrank eine angebrochene Flasche Scotch und zwei Gläser fand. Geschirr gehörte nicht mit zur Apartmenteinrichtung, und Laureen Hadar mußte augenblicklich genau rechnen und hatte sparsam eingekauft.
Ich trug die Gläser und die Flasche zum Tisch, goß ein und rief:
»Bringen Sie Eis mit, falls Sie etwas haben.«
»Geht in Ordnung«, antwortete sie. »Einen Augenblick noch.«
Ich entschloß mich, den Scotch zu probieren und nahm einen Schluck. Als ich das Glas absetzte, nahm ich aus den Augenwinkeln eine Bewegung an der Schiebetür zur Küche wahr und drehte den Kopf.
Laureen Hadar stand dort, ohne die geringste Spur eines Lächelns im Gesicht, aber mit einer kleinen, bösartig aussehenden Pistole in der Hand.
»Machen Sie keine unbedachte Bewegung, Mr. Cotton!« sagte sie ruhig. »Ihre Erfahrungen stimmen. Es kann einem überall etwas geschehen. Wenn Sie sich rühren, wird es Ihnen hier geschehen.«
***
Langsam stellte ich das Glas auf den Tisch.
»Halten Sie die Hände von Ihrem Körper!« befahl sie.
Ich spreizte die Arme hoch.
»So gut?« fragte ich ironisch.
»Sie irren sich, falls Sie annehmen, ich könnte mit dem Ding in meiner Hand nicht umgehen.«
»Haben Sie bei Radoc gelernt?«
Sie gab einen Zischlaut von sich wie eine Schlange.
»Ich habe es an Radoc gelernt. Verstehen Sie, was ich meine?«
»Soll das heißen, daß Sie ihn erschossen haben?«
Ihre blauen Augen glühten in einem bösen Feuer. By Jove, sie sah nicht mehr unschuldig und harmlos aus. »Öffnen Sie den Knopf Ihrer Jacke, aber mit der linken Hand.«
Ich gehorchte.
»Ziehen Sie die Jacke aus, benutzen Sie nur die linke Hand. Denken Sie daran, daß ich auf jeden Fall schießen werde, wenn Sie meinen Befehlen nicht gehorchen.«
Ich pellte mich aus der Jacke.
»Ziehen Sie jetzt mit der linken Hand Ihre Kanone aus dem Halfter. Fassen Sie nur den Griff an und lassen Sie sie sofort fallen.«
»Hat Ihnen das auch der alte Radoc beigebracht?« fragte ich, ergriff die 38er mit den Fingerspitzen und ließ sie fallen.
»Stoßen Sie die Kanone mit dem Fuß zu mir hinüber!«
Ich tat auch das. Sie bückte sich, um sie aufzuheben, und dabei beging sie den ersten Fehler, denn sie sah mich für eine Sekunde lang nicht an. Ich verpaßte die Chance, aber ich wußte von diesem Augenblick an, daß ich sie überrumpeln konnte.
Sie legte die 38er außer meiner Reichweite auf einen Tisch.
»Das hat mir Rey French beigebracht«, sagte sie. »Von ihm habe ich gelernt, wie man sich einen Mann vom Leibe hält.«
»Ich dachte, Sie hätten ihn ziemlich nahe an sich herangelassen.«
Sie lachte, aber es war ein ordinäres, gemeines Lachen.
»Nun, er war ziemlich verschossen in mich, und er sah immer noch besser aus als James mit seinem Krötengesicht, und er dachte, ich wäre auch verliebt in ihn.«'
Ich zeigte auf die Whiskyflasche. »Kann ich noch einen Schluck nehmen?« Ohne ihre Antwort abzuwarten, goß ich mir einen tüchtigen Drink ein, nahm das Glas in die Hand und betrachtete nachdenklich den Whisky.
»Da Sie offenbar häßliche Absichten mit mir haben, Laureen, können Sie mir vorher noch eine Frage beantworten. Wer hat nun eigentlich James Radoc erschossen? Sie oder French, oder Sie beide gemeinsam?«
»Ich habe es ihm besorgt«, antwortete sie triumphierend. »Sie können mir glauben, G-man, ich habe lange auf die Chance gewartet. Ich habe gewartet, bis ich über alle Einzelheiten seiner Organisation Bescheid wußte, und dann habe ich noch einmal sechs Monate zugegeben, bis ich ihn überreden konnte, alle wichtigen Papiere aus seinem Büro wegzuschaffen. Die Organisation durfte nicht platzen, wenn James endlich beseitigt wurde. Sie sollte nur einen neuen Chef bekommen — mich!«
Ich gurgelte den Whisky hinunter. »Ganz schöner Ehrgeiz für knappe hundert Pfund Lebendgewicht. Sie haben also Radoc erschossen, aber wie haben Sie es angestellt, daß French mit derselben’ 42er Pistole auf mich losging?«
»Sehr einfach! James rüstete seine Leute für ein Verbrechen immer mit einer anderen Waffe aus, die er zurückforderte, sobald der Fall erledigt war. Mit der 42er hatte Fench in Radocs Auftrag die Mulattin gekillt. Er hatte die Pistole an James zurückgegeben, und ich wußte, wo Radoc sie verwahrte. Als Sie das Büro verlassen hatten, gab James seinem Henker den Auftrag, Sie zu erledigen. So weit stimmt die Geschichte, die ich Ihnen erzählte. Allerdings weigerte sich Rey nicht, den Auftrag zu übernehmen, und es gab auch keinen
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