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038 - Bis die Ratten dich zerfetzen

038 - Bis die Ratten dich zerfetzen

Titel: 038 - Bis die Ratten dich zerfetzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Larry Brent
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hatte sich die Reporterin noch nie gefühlt.
    »Sam?« Er hob
die Augenbrauen, während er der auf dem Boden Liegenden behilflich war. Helen
lehnte sich an die feuchte Wand. Der jungen Frau fiel das Lager aus Laub und
Gras auf, das in der Nische genau gegenüber eingerichtet war. »Was wissen Sie
von Sam? Sehe ich so alt aus ?«
    Helen
musterte den Mann, der ihr das Leben gerettet hatte. Er sah schlecht aus. Seine
Haut wirkte fahl; er sah fast aus wie ein Toter, wie ein Mensch, der nie ans
Licht und an die Sonne kam. Er konnte ebensogut dreißig wie fünfzig Jahre alt
sein. Sein Gesicht war von dichtem, blondem Bartwuchs umrahmt. Seine langen
Haare waren filzig und ungepflegt.
    »Sam müßte
jetzt hundertzwanzig sein«, fuhr der Fremde fort, ehe
Helen noch etwas über ihre Gedanken äußern konnte. »Ein klappriger Greis. In
der Tat kommt es mir so vor, als würde ich schon seit hundert Jahren hier
leben, dabei dürfte es höchstens ein Jahr her sein, daß ich hierherkam .«
    Helen kniff
die Augen zusammen.
    »Wer sind
Sie? Wie kommen Sie hierher? Sie sprechen ein ausgezeichnetes Englisch. Sie
sind Europäer, nicht wahr? Woher?« Es war wie bei einer Reportage. Helen Powell
stellte Fragen und wartete auf die Antwort. Mechanisch fing sie an, ihre Haare
und ihre Kleidung in Ordnung zu bringen. Sie mußte scheußlich aussehen, und es
war gut, daß es keinen Spiegel in der Nähe gab, in dem sie sich betrachten
konnte.
    »Ich bin
Deutscher. Mein Name ist Jörg Vormann. Daß ich mich noch mal einer so hübschen
Person vorstellen würde, hätte ich mir nicht träumen lassen. So etwas passiert
einem nicht alle Tage. Ich hätte bestimmt schon früher Gesellschaft haben
können, aber Sie sind die erste, die davonkam .«
    »Davonkam ?«
    »Den Ratten
entkam«, präzisierte Vormann. »Wenn das Futter erst mal im Schacht liegt, dann
ist es aussichtslos, ranzukommen. Sie haben sich aber selbst auf die Beine
gemacht. Sie haben sich praktisch selbst das Leben gerettet. Wenn schon mehr
Ratten dagewesen wären, hätte keine Möglichkeit mehr bestanden, Sie noch in
Sicherheit zu bringen, Miss ...«
    Er sah sie
aus großen Augen fragend an.
    »Helen, sagen
Sie Helen zu mir .« Die Stimme der Reporterin klang
belegt. »Sie sind Deutscher«, fuhr sie unvermittelt fort, als würde ihr erst
jetzt zu Bewußtsein kommen, was Vormann alles gesagt hatte. »Wurden Sie von
Jean Doree hierhergeschickt ?«
    »Ja! Ich
wollte alles wissen, aber er konnte immer nur Vermutungen aussprechen. Das war
mir zu wenig. Ich war neugierig, abenteuerlustig, und ich war überzeugt davon,
daß ich nicht das geringste Risiko einging. Aber das war eine Täuschung .«
    Helen Powell
nickte, als würde sie mit einem Schlag alles verstehen.
    »Lebt Sam
denn wirklich noch ?«
    Der Deutsche
zuckte die Achseln. Sein zerschlissenes Hemd bedeckte kaum noch die knochigen
Schultern. »Sie sagen das, wenn man nach ihm fragt. Aber ich habe ihn nicht
gesehen. Auf der anderen Seite des Berges steht eine einsame Hütte. Sie ist
tabu. Die Eingeborenen verehren diesen Platz wie ein Heiligtum. Ich wollte mir
diese Stelle ansehen und mich persönlich davon überzeugen, ob Sam noch lebte.
Aber ich kam nicht mehr dazu. Nachts stürzten ein paar Kerle in meine Hütte, nahmen
mich fest und zwangen mich, etwas zu trinken. Als ich wieder aufwachte, fand
ich mich am Boden des Schachtes. Aber für mich muß das Betäubungsmittel wohl
etwas zu schwach gewesen sein. Ich wurde zu früh wach, und das rettete mir das
Leben. Ich konnte mich aus dem Staub machen, bevor die Ratten aus den Löchern
krochen und mich witterten. Bei der Suche nach einem Ausweg stieß ich auf diese
Höhle. Hier brachte ich mich vor den Ratten, die inzwischen auf mich aufmerksam
geworden waren, in Sicherheit. Von dieser Stunde an war mir auch klar, daß ich
diese Höhle hier so gut wie nicht mehr würde verlassen können. Überall in dem
Labyrinth der Gänge sind die Ratten. Sie belauern mich und warten darauf, mich
doch noch zu erwischen .«
    »Wollen Sie
damit sagen, daß Sie seit damals diese Höhle nicht mehr verlassen haben ?« Helen Powell starrte ihr Gegenüber an.
    »So gut wie
nicht«, bekam sie zu hören. »Ich fand heraus, daß ich sehr gut zu gewissen
Zeiten ins Freie konnte. Immer dann, wenn die Ratten mit einem Opfer beschäftigt
waren, konnte ich es wagen, mich durch das Labyrinth der Gänge zu schleichen.
Ich besorgte mir aus dem nahen Dschungel trockenes Laub, Zweige und Gras, um
mir ein Lager zu bereiten

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