038 - Bis die Ratten dich zerfetzen
Innern des
Berges hervorzukommen schien.
Der ersten
Welle des Entsetzens folgte die zweite.
Sie war im
Brunnen bei den Ratten! Die unheimlichen Schädlinge witterten ihre Nähe, und
sie kehrten an diesen grauenvollen Ort zurück, an dem sie es gewohnt waren,
ihre Nahrung zu empfangen.
Helen Powell
glaubte, vor Angst sterben zu müssen, als sie sah, daß es sich in den dunklen
Ritzen und Löchern plötzlich bewegte. Große, längliche Schatten tauchten auf,
und die kleinen roten Augen in den spitzen, widerlichen Schädeln funkelten.
Helen Powell sah ihr tausendfach verkleinertes Abbild in diesen Augen.
Aus, zuckte
es durch ihr Bewußtsein. Es gibt keinen Ausweg mehr.
Doch Helen
Powell war nicht der Mensch, der gleich aufgab. Sie hatte nichts mehr zu
verlieren. Nur noch zu gewinnen.
Flucht,
fieberte es in ihr. Und sie rannte und trampelte zwei der Schädlinge nieder,
die um ihre Beine huschten. Sie spürte die warmen, sich bewegenden Körper unter
ihren Füßen, und es würgte sie, als sie daran dachte, daß der ganze
Brunnenschacht in wenigen Minuten vielleicht ein Heer von Ratten aufnahm.
Helen Powell
hatte die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit erreicht. Sie wußte nicht mehr, wie
sie eigentlich vom Fleck kam. Sie rutschte an der Wand entlang und hörte das
Fiepen der Ratten, die hinter ihr herliefen.
Schwer wie
Blei waren ihre Beine, und die Australierin wurde sich ihrer zunehmenden
Schwäche bewußt. Nur noch ihr unbeugsamer Wille hielt sie aufrecht. Sie wußte
nicht, wie lange sie dieser Belastung noch gewachsen war. Doch der Gedanke
daran, ein Futter für die Ratten zu werden, trieb sie immer wieder an.
Die Ratten
umringten sie. Helen fühlte den Biß scharfer Zähne in ihrem Fußgelenk. Stöhnend
hob sie das Bein an und schüttelte es, so kräftig sie vermochte.
Doch der
Schädling schien zu einem Teil ihres Körpers geworden zu sein. Wie ein Auswuchs
baumelte er an ihrem Fuß und leckte das warme Blut ab.
Helen Powell
schrie markerschütternd. Ihr ganzer Körper verkrampfte sich. Weinend und
schluchzend fiel sie gegen die Wand; sie konnte einfach nicht mehr weiter.
Die
nachfolgenden Minuten erlebte sie wie in Trance.
Sie stürzte
zu Boden, schlug wie wild um sich und fühlte die warmen, immer mehr werdenden
Körper.
Hände?
Sie
phantasierte bereits. Die Angst hatte sie in den Wahnsinn getrieben.
Der Boden
unter ihren Füßen wurde weggezogen. Wanne Luft traf ihr Gesicht. Sie ahnte mehr
die Anwesenheit eines Menschen in ihrer Nähe, als daß sie ihn sah.
Helen Powell
wurde von knochigen Fingern über den feuchten Felsboden gezerrt. Ein dumpfes,
schabendes Geräusch drängte sich in ihr Bewußtsein, und im Dämmerschein eines
kleinen Feuers sah sie, daß eine schattengleiche Gestalt einen schweren Stein
vor eine Höhle schob. Zwei, drei Ratten fanden dennoch rasch genug Eingang;
eine vierte wurde von dem massigen Felsblock zermalmt.
Die
eingedrungenen Nager stürzten sich auf das schweratmende, nach Blut riechende
Opfer auf dem Boden. Doch der Fremde, der Helen Powell unerwartet zu Hilfe
gekommen war, reagierte schneller. An seinen Bewegungen war zu erkennen, daß er
es gewohnt war, mit diesen Bestien umzugehen.
Schon hatte
er eine Ratte an den Hinterbeinen, schleuderte sie herum und schlug den spitzen
Schädel gegen die Felswand. Durch den Körper des Nagers lief ein Zucken. Dann
streckte er alle viere von sich.
Der Fremde
ließ den Schädling nicht einfach fallen, sondern legte ihn auf die Seite. Dann
stürzte er selbst wie ein wildes Tier auf die beiden anderen Ratten, die Helen
Powell inzwischen erreicht hatten und ihr Opfer anzuknabbern gedachten. Helen
war unfähig, sich zu rühren. Ihr geheimnisvoller Retter kam auch hier wieder
rechtzeitig. Er erwischte die beiden Schädlinge zur gleichen Zeit. Und sie starben
auf die gleiche Weise wie der erste.
Der Fremde
näherte sich der Australierin und beugte sich über sie. Im schwachen Licht des
in einer Bodenmulde glimmenden Feuers, das das Innere der Höhle mit einem
beißenden Qualm erfüllte, erkannte die Reporterin ein mageres, knochiges, von
einem hart umrahmtes Gesicht, in dem die Haut sich dünn wie Pergament
abzeichnete.
»Wie geht es
Ihnen ?« Die Stimme des geheimnisvollen Retters, der
sich hier im Innern des Berges heimisch eingerichtet hatte, klang ruhig und dumpf.
Seine großen Augen lagen tief in den Höhlen. Der Mann war noch jung.
»Sind Sie Sam ?« fragte Helen Powell, und sie merkte, wie ihre Stimme
zitterte. So schwach
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