038 - Bis die Ratten dich zerfetzen
gebe zu, daß ich die Absicht
hatte, Charly zu töten. Das wäre besser für ihn gewesen, als am Leben zu
bleiben! Es gibt Dinge, über die man nicht sprechen sollte. Charly hat es
getan, und er hat damit eine Gefahr heraufbeschworen, über die er sich gar
nicht im Klaren ist. Man spricht nicht über Thare und
die Ratten! Wer davon weiß, der schweigt! Das schont das Leben .«
»Was wissen
Sie von Thare und den Ratten ?« hakte Larry sofort nach.
»Ich bin dort
geboren und habe meine Jugend auf der Insel verbracht. Von Kind auf war ich mit
der Gefahr vertraut und wußte, daß die Menschen auf Thare nur weiterexistieren konnten, wenn niemand das seltsame Gleichgewicht zwischen
Mensch und Ratte stören würde .«
Tahulus Stimme hatte
einen seltsamen Klang, als er über diese Dinge sprach.
Der Eingeborene
blickte abwechselnd von einem zum anderen.
»Vor vier
Jahren verließ ich Thare , um hier auf Viti Levu mehr Geld zu verdienen.
Aber ich bin immer nur zeitweise von meiner Heimat abwesend. Obwohl das Leben
dort hart und entbehrungsreich ist, es ist auch schön. Jede Heimat ist schön !«
»Sie
schweifen ab, Tahulu «, mahnte Larry.
Der
Eingeborene nickte.
»Auch dieses
scheinbare Abschweifen vom Thema gehört in gewissem Sinn mit dazu, Sir. Wenn
man seine Heimat liebt, dann kann ein Außenstehender vielleicht auch begreifen,
daß man diese Heimat erhalten möchte und daß niemand das Recht hat, wissentlich
oder unwissentlich etwas zu zerstören. Durch das Aussprechen seiner Vermutungen
hat er«, Tahulu warf einen raschen Blick auf den
Mischling, »dazu beigetragen, daß man auf Thare aufmerksam wurde .«
»Und das
wollten Sie verhindern ?«
»Ja, Sir.
Wenn jemand nach Thare kommt, um Näheres über die
Ratten zu erfahren, dann wird er garantiert den Tod finden. Es liegt also im
Interesse eines jeden, nach Möglichkeit nicht nach Thare zu kommen. Es gibt viele hundert andere Inseln, die gefahrloser sind. Thare führt sein eigenes Leben, genau wie Sam es will .«
Die letzten
Worte waren beinahe mit einer gewissen Andacht gesprochen.
»Sam lebt
also ?«
Larry stellte
die gleiche Frage, die jeder an seiner Stelle ausgesprochen hätte.
»Ja,
natürlich. Was haben Sie gedacht ?«
Das klang so
selbstverständlich, als hätte Brent sich nach der Zeit erkundigt.
»Er ist der
eigentliche Herrscher auf der Insel, nicht wahr ?« fuhr
X-RAY-3 fort.
»Niemand dort
kann sich eigentlich so recht entsinnen, wann er kam. Selbst die Alten wissen
es nicht mehr so genau, Sir. Die Bewohner von Thare haben sich an ihn und an die Ratten gewöhnt. Sam sorgt dafür, daß die Ratten
die Dorfbewohner in Ruhe lassen, und die Bewohner erkennen die Notwendigkeit
an, für die Ratten zu sorgen. Alle Abfälle kommen den Ratten zugute. Wir opfern
auch unsere Toten und Todkranken, um die Ratten in den Bergen zu halten, wie
Sam es uns befahl .«
Larry hatte
das Gefühl, mit einem Irren zu sprechen. Doch Skonja Tahulu machte alles andere als den Eindruck, wahnsinnig zu
sein.
»Es gibt da
etwas, das ich nicht verstehe«, sagte Larry leise, aber er betonte jedes Wort
und ließ sein Gegenüber nicht aus den Augen. »Warum respektiert ihr die Ratten
und das Diktat von Sam? Wäre es nicht einfacher, sich von beiden zu trennen ?«
Tahulu lächelte
bitter. »Trennen! Wie einfach Sie das sagen! Können Sie ein Geschwür aus Ihrer
Haut schneiden, ohne sich zu verletzen? Nein! Genauso ist es mit den Ratten,
mit Sam und mit Thare . Wenn die wenigen hundert
Einwohner, die Thare ernähren und beherbergen kann,
darangingen, etwas gegen Sam zu unternehmen, würden sie ihr eigenes Grab
schaufeln. Seit beinahe einer Menschengeneration können sich die Ratten in dem
ihnen von Sam zugewiesenen Lebensraum frei entfalten und weiter vermehren.
Niemand auf Thare weiß, wieviele Ratten es im Augenblick auf der Insel gibt. Es müssen zigtausende sein. Ein
Rattenpärchen kann in einer Saison bis zu fünfhundert Nachkommen zeugen. Ein
Heer von Schädlingen muß das Innere des Berges bewohnen. Vielleicht kommen auf
einen Bewohner Thares tausend, vielleicht auch
zweitausend oder fünftausend Ratten, wer weiß! Können Sie sich vorstellen, was
geschieht, wenn wir Sams Zorn auf uns laden? Die unheimlichen Wesen, die den
Lebensraum der Menschen dort teilen, würden zum Angriff übergehen. Sam braucht
es ihnen nur zu befehlen! Das Ergebnis wäre ein Massaker, wie es sich niemand
vorstellen kann !«
Larry glaubte
eindeutig zu erkennen, daß die Angst Skonja Tahulu
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