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038 - Bis die Ratten dich zerfetzen

038 - Bis die Ratten dich zerfetzen

Titel: 038 - Bis die Ratten dich zerfetzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Larry Brent
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sich verstärkte und schließlich so
anhörte, als ob sich ein riesiger Schacht hinter der Felswand verberge, in den
ein Schornsteinfeger langsam seine Sonde mit dem Kugelschlagapparat
hinabgleiten ließ.
    Helen
schluckte und hielt den Atem an. Was bedeutete das nun schon wieder?
    Vor ihr in
der Finsternis wurde ein winziger, grauer, verwaschener Fleck sichtbar. Ein
Hauch von vergehendem Tageslicht?
    Außer dem
Schleifgeräusch in dem Kaminschacht hinter der Wand bewies ein Kratzgeräusch
vor ihr, daß auch Jörg Vormann etwas tat.
    »Was geht
hier vor, Jörg ?« flüsterte sie unwillkürlich.
    Sie beugte
sich nach vom, dem grauen, verwaschenen Licht entgegen, vor das sich jetzt ein
Schatten schob.
    Helen sah die
schemenhaften Umrisse des Deutschen nur wenige Zentimeter vor sich. Der dunkle,
hagere Körper ragte wie ein Auswuchs aus dem Felsgestein.
    »Sie hätten
nicht nachkommen sollen, Helen .« Vormanns Stimme war
kaum wahrnehmbar.
    Das
Schleifgeräusch zur Rechten der beiden Menschen verstärkte sich. Gleichzeitig
schwoll das Kreischen und Quieken der Ratten zu enormer Lautstärke an.
    »Es ist der
Schacht, in den ich geraten bin«, sagte die Australierin mit schwerer Stimme.
    Ein
schrecklicher Verdacht stieg in ihr auf.
    »Und jetzt
stürzen sich die Ratten dorthin, um ihr Fressen zu erhalten, nicht wahr ?«
    Sie mußte an
Edward Croft denken, und eine Hitzewelle raste durch ihren Körper. Hatte den
Kollegen das Schicksal ereilt, das Vormann jedem Besucher der Insel prophezeit
hatte? Dann war die Mission, die Croft ebenso durchzuführen gehofft hatte wie
sie selbst, noch schneller gescheitert, als von Anfang an zu erwarten und zu
befürchten gewesen war. Einen solch raschen Wechsel der Situation hatte niemand
einkalkulieren können.
    Der Schatten
vor dem handgroßen Loch in der Felswand bewegte sich. Vormann drehte ihr sein
Gesicht zu.
    »Es ist nicht
das, was Sie denken«, sagte er, als könne er ihre Gedanken lesen. »Doch im Dorf
muß etwas passiert sein. Man läßt zwei Tote herab. Eingeborene.«
    Helen schob
sich nach vom. Vormanns Hand legte sich auf ihre Schulter.
    »Nicht.« Er
schüttelte den Kopf. »Es ist nicht notwendig, daß Sie sich das ansehen .«
    »Ich habe in
meinem Beruf schon ganz andere Dinge vor die Augen bekommen«, unterbrach sie
unerwartet scharf und ärgerte sich über ihre eigene Reaktion. Auf der einen
Seite waren ihre Angst und Verzweiflung, die er durch seine tröstenden Worte
abzubauen versuchte, auf der anderen Seite der Drang zu wissen, was um sie herum
vorging.
    Sie schob ihr
Gesicht an die rechteckige Öffnung. Nur mit einem Auge sah sie die fast glatte
Schachtwand. Ein dickes Seil, das herabgelassen wurde. Daran baumelte ein
blutverschmierter Körper. Genau in Höhe des Guckloches drehte sich der
angeseilte Leichnam, und auf der nackten Brust sah Helen Powell das große
Einschußloch.
    Entsetzen
packte sie. Vormann hatte recht. Im Dorf war etwas geschehen, und sie konnte es
sich denken. Croft hatte verrückt gespielt, oder aber man hatte ihn
angegriffen.
    Kalter
Schweiß bildete sich auf Helens Stirn. Die Reporterin hörte den schweren Atem
Vormanns neben sich. Sie stellte sich auf die Fußspitzen, um mehr von der
Schachttiefe wahrnehmen zu können. Der Deutsche hatte von zwei Toten
gesprochen; demnach hatte man schon einen herabgelassen. Vielleicht...
    Ein
eigenartiger Geschmack befiel ihren Gaumen, als sie das Gewimmel der
Rattenkörper sah, die sich bereits über den ersten Leichnam hergemacht hatten.
Sie sah nur noch eine erstarrte braune Hand in dem Gewirr der dunklen,
quiekenden, beißenden und zerrenden Ratten.
    Ein
Eingeborener! Vormann hatte recht gehabt. Demnach lebte Croft noch.
    Die Hand
verschwand, als ein Schwall neuer Nager sich in den großen Schacht ergoß. Aus
allen Richtungen kamen sie. Einige waren irr vor Hunger. Sie rannten die
glatte, glitschige Schachtwand empor und hockten auf dem abzuseilenden Körper,
noch ehe dieser am Boden angelangt war. Die unheimlichen Ratten schlugen ihre
gelben, spitzen Zähne in das aufgedunsene Fleisch der Leichen.
    Helen Powell
wandte sich ab. Sie hörte den dumpfen Aufschlag, als der tote Eingeborene sein
Ziel erreichte. Der Körper landete zwischen dem Riesenknäuel von
kaninchengroßen Ratten, die sofort ihr schauriges Mahl begannen.
    Wortlos und
leichenblaß stand Helen neben dem Guckloch. Sie zuckte zusammen, als das Seil
gegen das Loch schlug und wie eine dünne, leblose Schlange sekundenlang davor
baumelte, ehe es

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