038 - Das zweite Leben des Mortimer K.
belächelte.
Es störte ihn nicht, denn er war davon überzeugt, daß er das übersinnliche Kunststück fertigbringen würde.
Er hatte sich mehrmals an den Tatort begeben, um die Atmosphäre auf sich einwirken zu lassen, und er hatte einmal eine trübe, kaum erkennbare Vision gehabt, mit der sich nichts anfangen ließ.
Doch sie schürte seine Hoffnung. Wenn es zu dieser einen Vision gekommen war, konnte er berechtigt annehmen, daß eine zweite folgte. Nicht gleich einen Tag darauf, vielleicht würde eine gewisse Zeit verstreichen, aber schließlich würde er klarer sehen und der Polizei den richtigen Hinweis liefern.
Wenn ihm das gelang, würde er es in alle Welt hinausposaunen, und dann hatte er es geschafft. Davon träumte er, der 42jährige, rotblonde Mann mit den Hasenzähnen.
Er war nie ein Schönling gewesen, dennoch konnte er bereits auf drei gescheiterte Ehen zurückblicken, und er war schon wieder verlobt.
Diesmal endlich mit einer Frau, die ein bißchen Geld in die Ehe mitbringen würde. Er hatte sich vor der Verlobung das Bankkonto von Sarah Mooley angesehen.
Erst als sich herausstellte, daß diese Frau auf finanziell gesunden Füßen durch die Welt ging, hatte er sich entschlossen, sie zu fragen, ob sie seine Frau werden wollte, und er erwartete keine andere Antwort als ein klares, erfreutes Ja, das er auch prompt bekam.
Sarah hatte selbst schon zwei schlimme Ehen hinter sich und eigentlich die Absicht gehabt, nie mehr zu heiraten. Sie suchte Trost bei allen möglichen Whiskysorten und glaubte allmählich, keine Zukunft mehr zu haben.
Eine Freundin brachte sie zu George Farrington, und der prophezeite ihr das große Glück… an seiner Seite.
Dieser George Farrington legte sich unbewußt mit Professor Kulls Organisation des Schreckens an, denn der Mord, den er sich zur Aufklärung ausgesucht hatte, ging auf das Konto der Kull-Leute.
Und die Organisation wußte über Farringtons Vorhaben Bescheid.
Er hatte es ja nicht verheimlicht.
Farrington war allein in seinem großen Haus, aber er gedachte, das an diesem Abend nicht zu bleiben. Er hatte sich Gäste eingeladen. Eine zwanglose Grillparty stand auf dem Programm.
Auch Sarah würde kommen. Alles war vorbereitet. Das Fleisch lag im transportablen Kühlschrank, die Holzkohle war bereits im Terrassengrill aufgeschichtet.
Daneben stand eine bunte Spraydose mit der Aufschrift »Feuergefährlich«. Sie würde Farrington helfen, die Holzkohle leicht in Brand zu setzen.
Es fehlten nur noch die Gäste.
Der Hellseher verkürzte sich die Wartezeit mit einem Drink, setzte sich in einen chintzbezogenen Schaukelstuhl und nuckelte am Glas.
An diesem Abend wollte er einmal völlig abschalten, nicht an das denken, was er sich vorgenommen hatte.
Er wußte, daß er sich eine schwierige Aufgabe gestellt hatte. Es war möglich, daß er an ihr scheiterte. Sie war ein Prüfstein. Auch für ihn.
Er wollte damit nicht nur den anderen, sondern mehr noch sich selbst beweisen, wie gut er als Hellseher war. »Das Auge!« Wenn er diesen Mordfall aufklärte, würde bald die gesamte Londoner Unterwelt vor ihm zittern.
Farrington blickte auf seine teure Uhr. In wenigen Minuten würde Sarah eintreffen. Er hatte ihr gesagt: »Komm etwas früher als die anderen, damit wir noch ein bißchen Zeit für uns allein haben.«
Sie hatte zärtlich seine Wange gestreichelt und lächelnd erwidert:
»Und ich werde sogar noch nach der Party bleiben, Liebling.«
Es läutete.
Das ist Sarah, dachte »Das Auge«. Er stellte den Drink weg und erhob sich schwungvoll.
Da er im Laufe der Zeit einige Wertsachen angehäuft hatte, war die Eingangstür seines Hauses mehrfach gesichert, doch all diese Sicherungen ließ er jetzt außer acht.
Bei Sarah vorsichtig sein? Lächerlich. Mit Elan riß er die Tür auf und knipste sein Sonntagslächeln an, doch das erschlaffte, als er erkannte, daß er nicht Sarah, sondern einen fremden Mann vor sich hatte.
Einen Mann mit breiten Schultern und schmalen Hüften. Groß war der Bursche, an die einsneunzig, und er hatte handkoffergroße Hände. Sein Lächeln erreichte nicht die Augen.
»Guten Abend, Mr. Farrington, entschuldigen Sie, wenn ich Sie so überfalle…«
»Ja, bitte?«
»Ich weiß, ich hätte vorher anrufen und mit Ihnen einen Termin ausmachen sollen, aber die Sache entschied sich ganz kurzfristig… Darf ich eintreten?«
»Ich erwarte Gäste.«
»Das macht nichts. Ich halte Sie bestimmt nicht lange auf.«
»Ich fürchte, ich kann heute
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