038 - Die Wasserleiche im Rio Negro
wahrscheinlich nie mehr sehen würde, und fragte mich, was wohl aus ihr geworden war und wo sie die Leichenteile des toten Herrschers hingebracht hatte.
Damals ahnte ich noch nicht, daß ich sie einige Jahre später wiedertreffen sollte.
Gegenwart
Dorian Hunter verließ die Maschine in Caracas und nahm im Transitraum Platz. Er fühlte sich noch ganz benommen. Zu deutlich war die Vergangenheit wach geworden. All die Scheußlichkeiten hatte er nochmals nacherlebt.
Der Dämonenkiller wartete, bis der Flug nach Bogota aufgerufen wurde, und bestieg das Flugzeug. Nach dem Start, als der Flughafen Maiquetia in der Dämmerung verschwand, bestellte er einen Bourbon und rauchte eine Zigarette.
Seine Gedanken beschäftigten sich im Augenblick nicht mit der Vergangenheit, sondern mit Jeff Parker. Er kannte Jeff seit vielen Jahren und hatte ihn einmal vor dem drohenden Ruin gerettet. Seither waren sie befreundet und verstanden sich recht gut. Dorian sorgte sich um Parker. Eine Suche im Amazonasgebiet war allerdings vergleichbar mit der Suche nach einer Stecknadel in einem Heuhaufen.
Unwillkürlich mußte er grinsen, als der Flugkapitän über die Lautsprecher verkündete, daß sie in wenigen Minuten auf dem Flughafen Eldorado landen würden. Parker hatte sich auf die Suche nach jener sagenumworbenen Stadt namens El Dorado aufgemacht; und jetzt war er, wie so viele andere mutige Männer vor ihm, im Dschungel verschollen.
Der Dämonenkiller betrat nach der Landung die Abfertigungshalle und ging zum Informationsschalter. Vor dem Abflug aus Nassau hatte er Trevor Sullivan gebeten, sich mit Parkers Verwalter Sancho Parras in Verbindung zu setzen.
Die hübsche Frau hinter dem Schalter lächelte ihm freundlich zu.
»Mein Name ist Dorian Hunter«, stellte er sich vor. Sein Spanisch war akzentfrei. »Haben Sie eine Nachricht für mich?«
»Ein Herr erwartet Sie. Der Mann im weißen Anzug.«
Der Dämonenkiller wandte den Kopf. Auf einer Bank saß ein bulliger Mann, der einen weißen Leinenanzug trug. Auf seinen Knien lag ein weicher Filzhut.
»Danke«, sagte Dorian zu dem Mädchen und ging langsam auf den Mann zu, der aufstand und ihm interessiert entgegensah. Dabei hatte Dorian Gelegenheit, den Mann genauer zu betrachten. Sein Gesicht war rund wie der Vollmond, die Lippen fleischig und mit einem Menjoubart gekrönt. Sein Haar war pechschwarz und glänzte ölig.
»Señor Hunter?« fragte er, und der Dämonenkiller nickte. »Ich bin Sancho Parras.«
Parras streckte dem Dämonenkiller die Hand entgegen, der sie ergriff und glaubte, in einen Schraubstock geraten zu sein.
»Señor Parker sprach viel von Ihnen«, sagte Parras. »Gut, daß Sie gekommen sind. Sie werden Señor Parker finden.«
»Hoffentlich.« Hunter grinste.
»Ich habe alles vorbereitet, Señor«, sprudelte es aus dem bulligen Mann hervor. »Ich habe für Sie ein Zimmer im Cordillera reservieren lassen. Wenn Sie wollen, können Sie morgen zum Lager fliegen.«
»Zunächst will ich Näheres über Parkers Expedition hören«, meinte der Dämonenkiller.
»Ich bringe Sie in die Stadt, Señor. Dabei kann ich Ihnen alles erzählen.«
Dorian nickte, und Sancho Parras schnappte sich den Koffer und ging voraus. Er legte den Koffer in den Kofferraum eines cremefarbenen Buicks und kletterte hinters Lenkrad. Dorian nahm neben ihm auf dem Beifahrersitz Platz. Sancho startete und fuhr wie ein Verrückter los. Vom langsamen Fahren schien er nichts zu halten.
»Erzählen Sie, Sancho!« bat der Dämonenkiller.
Sancho lehnte sich bequem zurück und lenkte das schwere Fahrzeug lässig mit zwei Fingern.
»Vor ein paar Monaten tauchte Señor Parker plötzlich bei mir auf«, begann er. »Er sagte, daß er eine Expedition ins Amazonasgebiet unternehmen wolle. Ich sollte alles dafür vorbereiten. Er schlug sein Hauptlager am Rio Negro auf, etwas oberhalb des Casiquiars, der den Orinoco mit dem Rio Negro verbindet. Zusammen mit einigen Freunden und Wissenschaftlern brach er vor einigen Monaten auf. Dann kehrte er zum Lager zurück. Er hatte einige Hinweise gefunden, die ihn bestärkten, daß er sich auf der richtigen Spur befand. Señor Parker sagte mir, daß Sie möglicherweise kommen und sich ihm anschließen würden. Ich soll Ihnen jede nur mögliche Unterstützung geben. Vor ein paar Wochen drang er wieder in den Dschungel vor, aber diesmal kehrte er nicht zurück. Vor vierzehn Tagen machte sich ein Suchkommando auf den Weg. Auch von diesem Trupp gibt es mittlerweile keine
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