0380 - Jagd auf die Teuflische
Obergeschoß umlief. Schon war Zamorra oben, hetzte an der Rückfensterseite vorbei und wechselte dann mit einem gewagten Sprung zum in ähnlichem Stil erbauten Nachbarhaus.
Unten ertönten laute, rauhe Kommandos. Metall klirrte. Stiefel polterten auf Holz und Steinpflaster. Gardisten suchten nach dem Flüchtigen. Der sah zu, daß er rasch noch ein paar Häuser hinter sich brachte, ehe er in einem anderen Hinterhof hinter einer Schutzmauer absprang, den Hof durchquerte und die Straße wieder erreichte. Hinter der Kante des Hauses blieb er stehen und spähte vorsichtig in Richtung der Schänke.
Er sah, wie die Gardisten Wang Lee gefesselt davonschleppten. Ein paar Bürger waren vom Hauptmann dazu bestimmt worden, die toten oder verletzten Gardisten zu tragen. Das Häuflein, das sich jetzt entfernte, war kläglich geschrumpft.
Aber sie hatten Wang Lee gefangen, und sie schienen die Suche nach Zamorra vorerst aufgegeben zu haben. Aber er war sicher, daß schon bald überall nach ihm Ausschau gehalten werden würde. In Faronar war der Steckbrief bereits erfunden. Es war nur eine Frage der Zeit, wann die Plakate mit seiner Beschreibung überall angeschlagen werden würden.
Aber vorerst war er frei. Und solange er frei war, konnte er handeln. Er mußte Wang befreien. Das war er dem Partner schuldig.
Aber wie sollte er das tun?
Vor allem mit dem Dolch an seiner Kehle, der plötzlich wie aus dem Nichts auftauchte…?
***
Hauptmann Reet sah sich seinem Ziel einen Schritt näher. Wang Lee war sein Gefangener. Es hatte ihn zwar einige gute Männer gekostet, und ein paar andere waren verletzt worden, aber er würde belobigt oder gar befördert werden. Nur darauf kam es ihm an.
Dafür hatte er sich gern in seiner Freizeit stören lassen…
Wang Lee, der Mann, der von irgendwoher gekommen war, unglaublich schnell zum Leutnant der Garde wurde und dann ebenso schnell wieder verschwand. Vorher aber hatte er sich noch erdreistet, offen Partei zu ergreifen für einen Lümmel, den seine eigenen Leute im Palast erwischt hatten und den einer der Brüder vom Blauen Stein mittels Magie als Einbrecher und Attentäter entlarvt hatte!
Fast hätte Reet Wang, den Deserteur, nicht einmal erkannt. Denn er hatte sich verändert. Damals war er kahlköpfig gewesen, jetzt trug er einen dunklen Haarschopf. Aber seine schrägen Augen ließen keine Zweifel daran, daß er es war, außerdem hatte er sofort das Schwert gezogen und gekämpft. Diese ungebräuchliche, gebogene Klinge…
Der Mann in seiner Begleitung, der entkommen war - er spielte keine Rolle. Reet hatte sich sein Gesicht nicht gemerkt. Es war auch nicht wichtig. Es ging nur um Wang. Daß er desertiert war, bedeutete in Verbindung damit, daß er damals den Attentäter verteidigt hatte, daß er selbst zu jenen gehörte, die dem König nach dem Leben trachteten.
Nun, der König würde ein gerechtes Urteil fällen, dessen war Reet sicher. Ghasho, der Dieb, hatte ihm einen großen Gefallen getan. Eigentlich war es ungerecht, daß dieser Mann, ein einstiger Minister für Staatssicherheit und Spionage, vom König davongejagt worden war. Und das nur, weil er sich mit den Brüdern vom Blauen Stein eingelassen hatte, die der König nicht mochte, die aber längst so mächtig waren, daß er ihren Kult nicht mehr verbieten lassen konnte.
Aber vielleicht würde es für Ghasho eines Tages eine Rückkehr in den Palast geben. Denn es zeigte sich doch immer wieder, wie loyal er nach wie vor war, obgleich er allen Grund hatte, den König zu hassen.
Das Oberhaupt der Diebesgilde war nach wie vor dem König treu ergeben, und hatte deshalb eine Menge Freiheiten…
Aber das war nicht Reets Sorge, der den gefesselten Deserteur vor sich her stieß, dem Palast des Königs entgegen.
***
Diesmal war Zamorra durch nichts gewarnt worden. Der Mann mit dem Dolch mußte sich lautlos von hinten an ihn angeschlichen haben. Zamorra sah, daß die Hand aus einem dunklen Kuttenärmel hervorragte, und er spürte den Atem des anderen hinter sich im Nacken.
»Löse ganz langsam den Riemen, der dein Schwert hält«, verlangte eine Stimme zischend.
Zamorra hütete sich, eine schnelle Bewegung zu machen. Langsam griff er nach der Schnalle. Er tat so, als sei es etwas umständlich, sie zu öffnen.
Und dann, als die Wachsamkeit des anderen etwas nachließ, handelte Zamorra. Er ließ sich nach hinten fallen, von dem Dolch fort, der seine Kehle bedrohte, riß gleichzeitig den Arm hoch und stieß den des anderen zur
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