0381 - Blutzoll für den Dollar-Boß
schenkte dem Ex-Anwalt keine Aufmerksamkeit, und er war mir sicherlich nicht böse deswegen. Im Augenblick hatten wir ja auch Wichtigeres zu tun, meinte ich.
***
Ich meldete mich über Sprechfunk in der Zentrale und erhielt die Auskunft, dass bis jetzt keiner der gesuchten Gangster gefasst worden war, obwohl Personenbeschreibungen und Lichtbilder längst an die Stadtpolizei gegangen waren. Der Lagerschuppen an der East Side, in dem ich gefangen gehalten worden war, war durchkämmt worden und stand jetzt unter Bewachung, ebenso Ann Lombeks Wohnung. Ich dachte an das Haus an der 130. Straße, wo Phil überfallen worden war. Sollten wir dort noch einmal nachsehen? Es hatte wohl kaum Zweck, aber ich hatte nichts Besseres zu tun.
An der Ecke zur Convent Avenue stand ein Cop. Ich fuhr rechts heran, zeigte meinen Ausweis und erklärte unser Vorhaben.
»Sie werden Licht brauchen, Agent«, sagte er. »Die Stadtwerke haben die Leitung schon unterbrochen, als damals die Mieter das Haus räumten. Soll ich Ihnen vom Revier ein paar starke Handscheinwerfer besorgen?«
»Gute Idee, Officer«, lobte ich. »Ich habe zwar immer eine Taschenlampe im Handschuhfach, aber die wird kaum ausreichen. Wir fahren schon vor.«
Ich sah noch, wie er auf eine Notrufsäule zuging, und ließ den Jaguar langsam weiterrollen. Haus Nr. 343 gähnte uns dunkel entgegen. Einige Fenster waren zerbrochen. Sie hatten wohl der Jugend des Viertels als Zielscheibe dienen müssen.
Ich angelte mir die Taschenlampe aus dem Handschuhfach und steckte sie ein. Zuerst einmal gingen Steve und ich um den ganzen Komplex herum. Auf der Rückseite gab es zwei Türen, die niedriger lagen als das Straßenniveau. Drei oder vier Stufen führten hinauf in einen Hinterhof, in dessen hart getretenem Schmutz kein Grashalm wuchs. Die Haustür war nicht verschlossen.
Ich knipste die Taschenlampe an und leuchtete in einen langen Flur, der mit steinernen Fliesen belegt war. In den Zimmern merkte man deutlich, dass die Polizei am Werk gewesen war. Jeder Schmutzhaufen war um und umgekehrt. Wir entdeckten nicht einmal einen Penner, der hier kostenlos ein Quartier hätte haben können.
Wir fuhren herum, als hinter uns die Haustür klappte. Es waren drei Cops, unter ihnen ein Captain.
Den Captain kannte ich von früheren Aufträgen her, die ich im Bereich seines Reviers zu erledigen hatte.
»Tag, Holden«, sagte ich und schüttelte ihm die Hand. Er stellte mir die zwei Cops vor, die er mitgebracht hatte. »Das ist Jesse Calwer«, sagte er und deutete auf den farbigen Cop. »Ich hatte ihn gestern Ihrem Kollegen als ortskundigen Führer mitgegeben. Haben Sie eine neue Spur?«
»Leider nein, Captain«, sagte ich. »Wir sind sozusagen auf gut Glück hergekommen. Ich wollte mir nur die Örtlichkeit anschauen.«
Er brummte etwas Undefinierbares in seinen Schnauzbart, und ich merkte ihm deutlich an, dass er nicht viel von meiner Idee hielt. Captain Holden hatte vom Revier Handscheinwerfer mitgebracht, und an ihren hellen Strahlen tasteten wir uns durch das Haus. Überall das gleiche Bild: Schmutz, Staub und Verwahrlosung in jeder Ecke.
»Wir haben jeden Briefumschlag und jedes Stück Papier, das eine Adresse trug, genau untersucht«, erklärte Holden. »Aber es handelte sich ausschließlich um Briefe, die die ehemaligen Mieter des Hauses beim Auszug liegen ließen. Ein paar Fotos gab es auch, mit denen wir nichts anzufangen wussten.«
»Könnte ich sie mal sehen?«, bat ich.
»Sie liegen im Revier, Cotton. Fahren Sie mal zurück und holen Sie die Dinger her, Laker.«
Der eine der beiden Cops ging zurück. Seine Stiefelabsätze polterten eilig über die Stufen hinab. Die Haustür fiel ins Schloss, und wir hörten den Streifenwagen anfahren.
Wir waren jetzt mit unserer Suche im zweiten Stock angelangt. Hier sah es weniger schmutzig aus als unten. ■
»Wie steht es eigentlich mit den Leuten, die hier einmal gewohnt haben, Captain?«, fragte ich. »Sind die alle überprüft worden?«
»Sicher! Natürlich ist es nicht die beste Gesellschaft, aber es sind keine großen Fische dabei.«
»Sehen Sie, Sir«, sagte Calwer plötzlich. »Hier ist kein Staub.«
***
Der Boss schäumte.
»Die Sache läuft schief, Boys! Und warum? Weil dieser Trottel von Kelly sich in Bars betrinkt, statt zu Hause zu bleiben.«
Mike Burnett ließ sich in den Lehnstuhl plumpsen. Harvey sah ihn mit giftigen Blicken an. Die Sache mit den Flugkarten hatte seiner Autorität einen schweren Schlag versetzt,
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