0381 - Blutzoll für den Dollar-Boß
Kamintür.
»Sehen Sie, Sir, hier liegt kein Staub«, wiederholte er. »Aber hier hat sich doch seit Monaten kein Schornsteinfeger sehen lassen!«
Der farbige Sergeant hatte recht. Auf dem oberen Rand des eisernen Türchens lag kein Staub. Ich sah mich nach einem geeigneten Werkzeug um, mit dem man die Tür öffnen konnte. Ein Vierkantzapfen hielt sie zu. Steve versuchte es inzwischen mit den Fingern, aber ohne Erfolg.
Laker kam mit dem Streifenwagen zurück, wir hörten, wie er den Motor abstellte. Captain Holden ging zum Fenster und riss es auf. Er schrie dem Sergeant zu, aus dem Werkzeugkasten des Wagens eine Zange mitzubringen. Wir warteten gespannt, bis der Cop mit einer Kombizange auf tauchte. Holden nahm sie ihm aus der Hand und drehte den Zapfen herum. Das Licht des Scheinwerfers fiel in eine rußige Höhlung.
Nichts!
Es war ein ganz gewöhnlicher Kamin. Ich spürte einen kühlen Luftzug, als ich die Hand hineinhielt. Wir blickten alle enttäuscht drein, denn fast jeder hatte erwartet, hier auf ein Geheimnis zu stoßen, das Licht in diese dunkle Sache bringen konnte. Ich nahm Laker seinen Scheinwerfer aus der Hand, aber das Ding war zu groß, um es in die kleine Öffnung hineinzubringen. Ich krempelte den Ärmel meiner Jacke hoch.
Als ich in den Kamin fasste, stieß meine tastende Hand auf Widerstand. Holden sah mir mit gespannter Neugier zu. Ein verschnürtes Paket hing an einem Nagel.
»Da ist irgendwas«, sagte ich und zerrte an dem Ding. Die Spannung wuchs. Ich brachte ein Paket in der Größe einer Zigarrenkiste zum Vorschein, mit braunem Packpapier dick umhüllt und mit Ruß verschmiert. Steve reichte mir sein Taschenmesser. Ich schnitt die Schnur durch, ohne den Knoten zu beschädigen. Auch die Art, wie er geknüpft war, konnte ein wichtiger Hinweis sein. Vorsichtig blätterte ich das Packpapier auf.
Zum Vorschein kam eine Pappschachtel. Mithilfe des Taschenmessers und der Zange hob ich den Deckel ab. Den Inhalt kippte ich auf ein Stück Zeitungspapier, das Laker aus einer Ecke genommen hatte.
Die Überraschung war vollkommen.
Dicke Bündel Banknoten kullerten auf die Zeitung.
»Vorsichtig geschätzt sind das mindestens fünftausend Dollar«, sagte Holden.
»Mag sein«, meinte ich enttäuscht, denn etwas anderes wäre mir weitaus lieber gewesen. Schließlich suchte ich Phil, meinen Freund.
»Mit dem Geld können wir nicht viel anfangen, Cotton.« Er kniete sich nieder und stocherte mit der Kappe seines Füllers zwischen den Bündeln herum.
»Halt, hier ist noch was«, sagte er plötzlich. »Ein Pass auf den Namen Harvey Seltzer.«
»Kennt einer den Mann auf dem Lichtbild?«, fragte ich, aber niemand rührte sich.
Und dann durchfuhr es mich wie ein elektrischer Schlag. Das war der Mann, der mich in dem Lagerschuppen an der East Side zuerst aushorchen wollte und der mich dann in den Keller einsperren ließ.
»Das Fluchtgepäck vom Boss«, erklärte ich. »Er hat Geld und Pass hier versteckt, wenn die Sache schiefgehen sollte. Das ist ein Grund mehr, das Haus unter Beobachtung zu halten. Er wird auf jeden Fall hierher zurückkommen, ganz gleich, ob seine Pläne gelingen sollten oder nicht. Ich glaube nicht, dass einer von der Bande dieses Versteck kennt. Das ist eine einzigartige Gelegenheit, ihn zu fassen. Verschwinden wir von hier. Geld und Pass nehmen wir mit und lassen es in unserem Labor auf Prints untersuchen. Vielleicht ist er registriert.«
Banknoten und Pass wurden eingewickelt, der Zapfen an der Kamintür wieder herumgedreht. Dann fuhren wir mit Holden und seinen Leuten zurück zum Revier.
»Sie wollten die Fotos sehen«, erinnerte mich Holden und zog einen Umschlag aus der Schublade. Ich ordnete die Bilder auf dem Schreibtisch des Captains nebeneinander an. Die meisten von ihnen waren verschmutzt und zerknittert. Amateuraufnahmen, mehr oder weniger schlecht gelungen.
Und darin starrte mich ein Gesicht an, das gleiche Gesicht wie auf dem Passfoto.
Harvey Seltzer am Strand. Im Hintergrund winkte eine Frau fröhlich über den Zaun, der eine Strandhütte umgab. Ein gut gelungenes Familienidyll, dachte ich und schob das Bild Steve hinüber. Er begriff sofort.
»Ein ausgezeichnetes Versteck«, meinte er. »Aber es gibt in der näheren Umgebung Tausende solcher Hütten. Oder könntest du mir auf Anhieb sagen, wo diese liegt?«
»Leider nein«, musste ich zugeben. »Aber es ist immerhin ein Anhaltspunkt. Das Dumme daran ist, dass wir die Fahndung geheim betreiben müssen. Wenn
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