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0381 - Die schwebenden Leichen von Prag

0381 - Die schwebenden Leichen von Prag

Titel: 0381 - Die schwebenden Leichen von Prag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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sehen. Aber das kann ich nicht mit Gewißheit behaupten, die Leute munkelten davon, und die Offiziellen stritten es ab.«
    »Haben Sie die Leichen denn gesehen?« fragte ich das Mädchen.
    »Nein, das nicht. Der Hoteldirektor sprach davon. Und zwar mit dem Mann, der Sie hergebracht hat.«
    Ich nickte. »Das ist interessant, glaube ich. Danke, daß Sie mich informiert haben.«
    Sie stand auf und bekam einen roten Kopf. »Ich… ich …«, begann sie zu stottern, »ich hätte es ja eigentlich nicht getan. Aber auch ich habe Angst, wissen Sie? Vielleicht ist doch etwas an diesen alten Geschichten dran, und dann kann es Schwierigkeiten für uns alle geben.«
    Ich legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Beruhigen Sie sich, meine Liebe, es wird schon alles glattgehen.«
    Sie lächelte zu mir hinauf. »Meinen Sie?«
    »Ganz sicher.«
    »Und Sie verraten mich auch nicht?«
    »Nein, aber ich verspreche Ihnen, daß, wenn alles vorbei ist, Sie mich durch Prag führen. Machen Sie das?«
    Ihre Augen strahlten plötzlich. »Gern, Herr Sinclair.«
    »Und wie heißen Sie?«
    »Katja.«
    »Okay, Katja. Ich bin John.«
    Sie wurde noch einmal rot und schloß die Tür leise hinter sich zu.
    Ich aber setzte mich wieder hin, holte eine Zigarette aus der Schachtel und dachte über das Gehörte.
    Jetzt war mir auch klar, aus welch einem Grund sich Wladimir Golenkow so plötzlich verzogen hatte. Sicherlich befand er sich nicht in seiner Dienststelle und wartete in der Nähe ab, ob sich etwas tat. Er mußte mehr wissen, als er hatte zugeben wollen, und es war ihm gelungen, mich als Köder einzuspannen.
    Reingelegt hatte uns der Russe. Nicht allein mich, auch meinen Chef, Sir James. Aber ich sollte für ihn die Kastanien aus dem Feuer holen. Konnte ich ihm deshalb böse sein?
    Im Prinzip nicht. Es war ja mein Job, Geister zu jagen. Mir gefiel nur die Art und Weise nicht, wie man mich vor den Karren gespannt hatte. Da hätte man mich schon einweihen können.
    Ich rauchte, blies den Qualm gegen die Sonnenstrahlen und schaute ihm nach. Meine Gedanken waren in eine Richtung gelenkt.
    Sie galten einzig und allein diesem Petar Kopanek. Ich hatte dem Mädchen gegenüber den Namen nicht erwähnt. Die Kleine sollte nicht wissen, womit ich beschäftigt war. Sie hatte mich sicherlich nur gewarnt, weil ich ihr sympathisch war, und damit hatte sie auch ein großes Risiko auf sich genommen.
    Ich ging wieder zum Fenster, öffnete es und lehnte mich hinaus.
    Nur mehr wenig Sonne fiel in den Hof. Die Strahlen malten einen letzten, hellen Schimmer auf die Hauswand. In wenigen Minuten würden sie völlig verschwunden sein.
    Auch im Hof war es ruhig. Aus der Ferne hörte ich Geräusche. Da mußte irgendwo eine der Hauptstraßen herlaufen, die die Altstadt von Prag umgeben, aber ich kam mir vor wie in einer anderen Welt.
    Hier besaß jeder Stein seine eigene Geschichte.
    Mir war kein Blick in die Fenster der gegenüberliegenden Häuser gestattet. Entweder lagen sie zu ungünstig oder die Bewohner hatten die Gardinen vorgezogen.
    Auch die letzten Sonnenstrahlen verschwanden. Ins offene Fenster gelehnt, konnte ich zusehen, wie es immer düsterer auf dem Hinterhof wurde. Lange Schatten drückten sich lautlos hinein. Die Temperatur ging zurück.
    Dabei hatte ich das unbestimmte Gefühl, keine natürliche Kälte zu erleben, sondern eine, die aus einer anderen Welt an die Oberfläche gekommen war, um von ihr Besitz zu ergreifen.
    Waren die Schatten echt, oder gehörten sie bereits zu dieser gefährlichen unbekannten Magie, die all die langen Jahrhunderte überdauert hatte und durch welches Ereignis auch immer aus dem tiefen Schlummer erweckt worden war?
    Ich fröstelte und zog mich wieder zurück. Das Fenster ließ ich offen. Wenn jemand zu mir kommen wollte, würde ich ihm kein Hindernis in den Weg legen.
    Auf die Bettkante setzte ich mich. Von dieser Stelle aus konnte ich das Fenster gut unter Kontrolle halten.
    Keine Geräusche waren zu hören. Weder von draußen noch im Hotel. Diese Ruhe war unnatürlich. Ich hatte plötzlich das Gefühl, der einzige Gast zu sein.
    Dann hörte ich Schritte auf dem Gang. Ich stand auf, schlich zur Tür und öffnete.
    Der Portier war schon an meinem Zimmer vorbei, hatte das Geräusch vernommen und drehte sich um. In der rechten Hand trug er einen Besen. »Ist alles in Ordnung?« fragte er mich.
    »Sicher.«
    »Sie haben sonst keinen Wunsch mehr? Vielleicht noch ein Pilsener?«
    »Auch das nicht, danke.« Ich schnippte mit den Fingern.

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