0382 - Claudines Schreckensnacht
Getriebe und Lenkhilfe getrennt worden. Daß er sich eine Handbreite in den Asphalt der Straße gearbeitet hatte, war eine andere Sache, und daß Öl und Benzin ausliefen, eine dritte. Zamorra hoffte, daß die Asphaltdecke das Öl nicht ins darunter liegende Erdreich und damit ins Grundwasser sickern ließ. Dann würde eine umfangreiche und schwierige Entsorgungsaktion fällig werden.
Teri schnipste mit den Fingern. »Warte mal… ich versuche, das Öl und den Sprit ein wenig umzuwandeln…«, schlug sie vor, während Zamorra sich noch darüber wunderte, wie penibel der Poltergeist dabei gewesen war, den Motor und die Haube sorgfältig zu lösen. Die Schrauben mußten innerhalb von Sekundenbruchteilen von der Psi-Feld-Kraft losgedreht worden sein. Das war schon mehr als ungewöhnlich.
Es war - skurril.
Der Poltergeist zeigte eine sehr abartige Art von Humor, denn der Motor war kaum noch zu gebrauchen. Der Aufprall hatte ihm bereits sichtlich geschadet, das konnte selbst ein Laie wie Zamorra auf den ersten Blick erkennen. Damit konnte er für eine neue Maschine zwischen fünfzig- und siebzigtausend Francs in den Schornstein schreiben.
Dieser Poltergeist entwickelte sich zu einer erheblichen Fehlinvestition.
Zamorra sah zu Focaults Haus, wo sich nichts mehr rührte, und dann einmal in die Runde. Er befürchtete, daß wieder Neugierige ins Freie stürmten. Aber noch war alles ruhig, als Teri sagte: »Fertig - hoffe ich. Das verflixte Zeug ist jetzt so harmlos wie Zitronensaft… aber noch einmal werde ich mich nicht als Alchimistin versuchen! Kostet ganz schön Kraft… hoffentlich schaffe ich es jetzt überhaupt noch, uns zum Château zu bringen!«
Zamorra wollte gerade feststellen, daß er auch Zitronensaft für nicht besonders harmlos hielt, weil der über Großstädten und Industriegebieten niedergehende saure Regen mittlerweile annähernd denselben pH-Wert erreichte, als er das Gesicht der Druidin sah: verzerrt vor Anstrengung und schweißüberströmt. Im nächsten Moment zog sie ihn bereits in den zeitlosen Sprung.
Einen Kilometer vor dem Château endete dieser Sprung. Teri brach vor Erschöpfung bewußtlos in Zamorras Armen zusammen.
Den Rest der Strecke trug er sie.
***
»Sollen wir die Party abblasen?« fragte Nicole eine halbe Stunde später, als sie Teri zu zweit in deren Gästezimmer brachten. »Immerhin scheint sich das zu einer gewaltigen Sache auszudehnen, nicht wahr?« Während sie sich durch die Korridore und über die Treppen des vor einem halben Jahr bewohnbar gemachten Seitenflügels bewegten, hatte Zamorra stichwortartig erzählt, was vorgefallen war.
Jetzt schüttelte er den Kopf.
Es war halb neun geworden und dunkelte allmählich; draußen auf dem leicht ansteigenden Parkgelände hinter dem ausgebrannten Haupttrakt und rund um den am Gebäude liegenden Swimming-pool begann Raffael, die Dochte von bunten Laternen in Brand zu setzen. So wie Zamorra vom Fenster aus beobachten konnte, war die Stimmung unten gut.
»Man fragt nach dem Hausherrn«, sagte Nicole.
Zamorra nagte an der Unterlippe. Alles abblasen und vertagen?
»Man wird eben ohne den Hausherrn feiern müssen«, sagte er. »Ich finde in dieser Nacht keine Ruhe mehr, glaub’s mir. Ich muß herausfinden, wer oder was hinter der Manipulation von Claudines Psi-Feld steckt, und versuchen, sie davon zu befreien. Je früher, desto besser. Ich hatte erst gehofft, ich könnte damit bis morgen warten, aber so, wie sich das Geschehen aufgeschaukelt hat, halte ich es für besser, sofort etwas zu unternehmen.«
»Und wie stellst du dir das vor?« fragte Nicole. »Ich weiß von keinem Fall, wo es jemandem gelungen ist, einen Poltergeist tatsächlich zum Verschwinden zu bringen. Mit einer langwierigen Psychotherapie ist das vielleicht möglich, aber erstens bist du kein Therapeut, und zweitens…«
»… steckt Schwarze Magie dahinter«, vollendete Zamorra. »Das dürfte einiges erleichtern - oder auch komplizieren. Jedenfalls muß ich wieder hin.«
»Und wie? Teri ist bewußtlos. Sie kann dich weder hintransportieren noch wieder zurückholen.«
»Ich nehme deinen Wagen«, sagte Zamorra.
Nicole tippte sich an die Stirn. »Damit der Poltergeist den auch zertrümmert, wie? Vergiß es, mein Lieber.«
Er hatte das fast erwartet. »Nun gut, ich werde einen Mietwagen herbestellen. Ich muß sowieso noch mit dem Abschleppdienst telefonieren. Ich möchte nicht, daß der Wagen eine Ewigkeit in Neulise stehen bleibt -und ich möchte, daß er von
Weitere Kostenlose Bücher