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0382 - Claudines Schreckensnacht

0382 - Claudines Schreckensnacht

Titel: 0382 - Claudines Schreckensnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Rollenpaar zu wuchten und wollten ihn dann wohl ebenfalls mit der Seilwinde auf den Lkw ziehen. Vielleicht, durchzuckte es ihn, hatten sie etwas gesehen.
    Er fragte sie.
    Nein, sie hatten kein Mädchen aus dem Haus kommen gesehen. Nur einen jungen Mann in einer Lederjacke, der zum Ende der Straße gegangen und noch nicht wieder zurückgekehrt sei. Na ja, vielleicht habe er da eine Freundin, oder es gab da eine kleine Kneipe…?
    Zamorra sah in die angegebene Richtung. Die Straße schien mit dem Ort dort aufzuhören. Und etwas stimmte nicht.
    Er mußte dreimal hinsehen, um zu erkennen, was es war. Das letzte Haus lag im Dunkeln. Dabei mußte dort eigentlich noch eine Straßenlaterne stehen.
    Zamorra warf sich in den roten Manta, startete und fuhr los. Ein paar Sekunden später war er am Ortsrand. Da stand tatsächlich eine Lampe, aber sie brannte nicht. Sie konnte es nicht mehr, denn sie war zerstört. Die Scherben lagen am Fahrbahnrand.
    Da war ihm klar, daß Claudine hier gewesen sein mußte.
    Und mit ihr der Poltergeist.
    Aber wohin hatte sie sich gewandt? In den Wald, der als schwarze Wand in einiger Entfernung aufragte?
    Zamorra konnte sich keine andere Möglichkeit vorstellen. Langsam öffnete er sein Hemd und legte das Amulett frei…
    ***
    Die Straße war zu einem schmalen, unbefestigten Weg geworden, der in den Wald hineinführte. Claudine beschritt ihn wie eine Schlafwandlerin. Sie kannte die ganze Umgebung und fand sich auch im Dunkeln zurecht. Nicht einmal stolperte sie oder streifte einen niedrigen Ast, auch nicht, als der Weg immer schmaler wurde und die Bäume niedriger, dafür aber enger zusammenstehend.
    Ihre Gedanken bewegten sich zähflüssig und müde.
    Was wollte sie hier? Warum hatte sie das Haus verlassen? Um Ruhe und Abstand zu gewinnen? Es war mehr. Sie kämpfte gegen Schuldgefühle an, verlor diesen Kampf aber mehr und mehr. Sie konnte nur dadurch weiteren Schaden verhindern, indem sie von hier verschwand.
    Aus Neulise.
    Aus Frankreich.
    Aus der Welt, aus dem Leben.
    Unwillkürlich erschrak sie. Selbstmord? Daran hatte sie bislang nie gedacht. Er kam ihr wie eine Flucht vor. Die Flucht eines Feiglings, der Angst hat, sich der Wirklichkeit zu stellen.
    Aber eine endgültige Flucht.
    Alle Probleme wären gelöst. Der Poltergeist, der einfach nicht von ihr weichen wollte, konnte dann keine Basis mehr finden, kein Medium, oder wie der Parapsychologe es ausgedrückt hatte, keinen »Agenten«. Es würde wieder Ruhe einkehren.
    Claudine blieb stehen. Sie begann ernsthaft darüber nachzudenken. Auch sie selbst würde endlich Ruhe finden. Es war nicht abzusehen, daß der Poltergeist sie irgendwann einmal wieder freigeben würde, und in den letzten Tagen war er unglaublich stark und drohend geworden. So sehr, daß es unerträglich wurde.
    Sie wollte nicht ein ganzes Leben lang mit diesem Fluch behaftet sein. Wie viele Jahre blieben ihr noch? Fünfzig? Sechzig, siebzig? Oder sogar mehr? Sie war doch gerade erst fünfzehn! Und fünfzig bis siebzig Jahre lang jeden Tag erleben, wie in der Umgebung Flaschen und Glaser umkippten, Bilder von der Wand fielen oder Autoreifen platzten? Wie Menschen gefährdet wurden?
    Was blieb ihr denn dann selbst noch? Nur Schuldkomplexe und die Vorwürfe der anderen. Oder eine lebenslange, grenzenlose Einsamkeit.
    Da war es schon besser, einen Schlußstrich zu ziehen, dachte sie. Ein für alle Male, endgültig.
    Aber wie?
    Dumpfe Ungeduld griff nach ihr, ein wenig von panischer Hysterie durchsetzt. Sie war zu ihrem Entschluß gekommen, jetzt wollte sie ihn so schnell wie möglich verwirklichen. Aber wie sollte sie das tun? Gift? Keines vorhanden. Sich vom Hausdach stürzen? Zu unsicher, außerdem wollte sie nicht wieder nach Neulise zurück, weil sie befürchtete, in ihrem spontan gefaßten Entschluß wieder wankend zu werden. Sich vor ein Auto werfen? Wo war denn eines, hier im Wald? Ein Messer trug sie nicht bei sich, und sich an einem Ast aufhängen? Selbst wenn sie die Schnürsenkel ihrer Turnschuhe zusammenband, waren die für sie erreichbaren Äste zu dünn und würden brechen.
    Es war grotesk.
    War sie dazu verdammt, nie mehr Ruhe zu finden?
    Es gibt einen Weg, flüsterte etwas in ihr. Warte noch eine kurze Zeit, und du wirst diesen Weg erkennen!
    Aber sie wollte doch nicht mehr warten!
    Sie hatte Angst vor dem Sterben, weil ihr nicht klar war, was danach kam und ob es etwas gab, aber noch mehr Angst hatte sie vor dem Leben…
    ***
    Die flüsternde Stimme in ihr,

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