0385 - Ein Mörder saß am grünen Tisch
Tisch, dicht an der Kante, halb überhängend.
Ich brauchte nur ein paar Schritte zu machen. Die unebenen Bodendielen würden dann den Tisch zum Zittern bringen. Das Glas würde herunterfallen. Jetzt hatte ich solche Mühe zu atmen, dass meine Augen tränten. Das Zimmer begann sich vor meinen Augen zu drehen. Ich hob den feuchten Ärmel meines Jacketts vor die Nase und atmete einen Moment den regennassen Geruch der Wolle ein. Es wurde etwas besser. Unendlich behutsam beugte ich mich über den Sessel und hakte den Fensterflügel los. Langsam schob ich das Fenster auf.
Frische Luft strömte herein. Ich trank sie wie eisgekühlten Whisky in mich hinein.
Meine Hände umklammerten das Fensterbrett. Ich konnte nicht wagen, durch die Tür gehen. Jede kleinste Erschütterung konnte das Glas auf dem Tisch zum Kippen bringen.
Ich spannte meine Arme an, ging etwas in Hocke, federte und sprang ab. Mit einer etwas windschiefen Flanke flog ich durch das Fenster, mein Schuh streifte das Glas, ich hörte Klirren rollte mich in das feuchte Beet - hinter mir zerriss ein ungeheurer Donner die Nacht.
Ich bewegte mich. Instinktiv hatte ich mein Gesicht in die nasse Erde gegraben. Langsam stand ich auf. Das Haus stand in hellen Flammen. Weit weg schrie irgendwo ein Mensch. Ein paar Hunde begannen zu jaulen.
Ich starrte in die Flammen. Jetzt heulten Feuerwehrsirenen auf. Ich schwankte langsam zum Eingang. Als Erstes kamen zwei Streifenwagen. Ich gab ihnen die nötigen Erklärungen und ließ mich erschöpft in den Buick fallen. Die Strecke bis zum Hudson und zu meiner Wohnung kam mir vor wie eine Tagesreise.
***
Ich schleppte mich müde die Treppen hinauf. Eine junge Dame, die zwei Stock über mir wohnt, kam mir entgegen und starrte mich mit schreckgeweiteten Augen an. Ich musste aussehen wie ein Schreckgespenst aus dem Kindermärchen.
Ich blieb vor meiner Wohnungstür stehen und suchte nach den Schlüsseln.
Da hörte ich ein Geräusch. Es schien aus meiner Wohnung zu kommen, und es war, als quietschte Holz auf Holz.
In meinen überreizten Ohren dröhnte noch immer die Explosion. Ich kapierte endlich, dass das die unterste Schublade meines Aktenschrankes war, die immer noch klemmte. Plötzlich wurden meine betäubten Sinne wieder wach. Vorsichtig drückte ich die Klinke. Die Tür war unverschlossen.
Ich wartete, bis das Licht auf dem Flur ausging und schob die Tür langsam auf. Ich sah in mein Wohnzimmer.
Überall lagen Bücher auf dem Fußboden, meine Schallplatten waren über das Sofa verstreut. Die Wäsche war malerisch im ganzen Raum dekoriert. Ich ging langsam in das Schlachtfeld hinein.
Vor meinem Schrank hockte ein Mann und wühlte in den alten Schuhen. Er saß mit dem Rücken zu mir.
»Da ist kein Nikolaus-Stiefel dabei«, sagte ich.
Er fuhr herum.
Es war Matthew Riley, der Chemiker mit der Narbe.
Er wurde grün wie ein Hering, der zu lange gewässert hat. Ich grinste und ging langsam auf ihn zu. Er stand auf und fuhr sich mit der Hand an den Kragen, als ob er sich Luft verschaffen müsste. Ich sah, wie seine Hand langsam in das Jackett glitt.
Im selben Moment hatte ich einen rechten Haken abgefeuert, der an seinem Kinn niederging.
Er taumelte zurück. Ich holte noch einmal aus. Dann beherrschte ich mich. Ich durfte schließlich nicht an dem Kerl meine ganze Wut auslassen.
Ich schob ihn in einen Sessel und ließ mich gegenüber auf das Sofa fallen. Matthew Riley starrte mich an. Er versuchte zu grinsen. Wenn ich nur gewusst hätte, woher ich sein Gesicht kannte.
»Na, keine Erklärung?«, sagte ich.
Er hob die Schultern.
»Es tut mir schrecklich leid. Ich bitte in aller Form um Vergebung.«
»Wie sind Sie reingekommen?«
»Die Tür war auf.«
»Mister Riley, Sie haben von Chemie ungefähr so viel Ahnung wie ein Nilpferd vom Ballett.«
»Oh, Sie unterschätzen mich.« Er zog die Augenbraue hoch,'und ich konnte es mir nicht verkneifen, er schien sich über mich lustig zu machen.
»Haben Sie eine Waffe bei sich?«
»Leider nein.«
»Sie werden den Krempel wieder aufräumen«, sagte ich, »schließlich kann meine Putzfrau Ihretwegen keine Überstunden machen.«
»Sorry, Agent Cotton. Die Unordnung stammt nicht von mir.«
Ich baute mich vor ihm auf.
»Was sagen Sie da? Ich finde Sie in meinem Zimmer, wie Sie die Nase gerade in meinen Schrank stecken, und Sie waren es nicht? Klingt sonderbar, wie?«
»Ja, das muss ich zugeben, aber ich sah die Kerle hier reingehen, und als ich ihnen nachging, fand ich
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