0386 - Götzentanz im Märchenpark
Aufgaben des Managers gehörte es unter anderem, viel und regelmäßig zu telefonieren, um Entscheidungen treffen oder Aufträge hereinholen zu können.
Noch nie in seinem Leben hatte Hugo de Valois soviel telefoniert wie an diesem Tag.
Es war der reine Alptraum. Hand und Ohr schienen mit dem Hörer festgewachsen zu sein. Seine Gespräche galten besonders Washington, wo er erst nach einigem Suchen seinen Bekannten gefunden hatte.
Robert, so hieß er, war über die vorgetragene Bitte nicht begeistert gewesen, versprach jedoch, sein möglichstes zu tun und schnell zurückzurufen.
Er hatte es nicht getan. So war dem unter Druck stehenden Ehemann nichts anderes übriggeblieben, als selbst anzurufen und sich anhören zu müssen, daß es für Robert unmöglich war, die Bitte zu erfüllen.
»Aber du hast zwei Tage Zeit.«
»Zu wenig, Junge.«
»Denk doch mal an mich. Ich weiß nur, daß meine Vorfahren aus Südfrankreich stammen, daß ich den Namen de Valois behalten habe, mehr kenne ich aus meiner Vergangenheit nicht. Du hast Beziehungen zu allen möglichen Stellen. Mach die Leute flott, bezahle sie meinetwegen fürstlich, ich gebe dir das Geld dann wieder, aber bekomm um Himmels willen heraus, was dieser Hector de Valois hinterlassen hat. So schwer kann das für dich doch nicht sein, Robert.«
»Im Prinzip nicht, Hugo.«
»Aber?«
»Mein Bekannter ist vor einer Woche in Pension gegangen und ist auf einer Urlaubsreise. Niemand weiß, wo er hingefahren ist. Kinder hat er keine, seine Frau befindet sich bei ihm, und ich stehe da wie der Ochse vor dem Berg.«
»Stimmt das?« De Valois konnte nur noch mit rauher Stimme flüstern.
»Ja, Hugo, ich habe keinen Grund, dich anzulügen. Tut mir selbst leid, mein Lieber.«
»Dann danke ich dir sehr.« Mit einer müden Bewegung legte der Millionär auf und vergrub sein Gesicht in den auf den Tisch gelegten und angewinkelten Armen.
Keine Chance mehr, an Informationen heranzukommen. Nie hatte er sich dafür interessiert. Auf einmal benötigte er sie. Das war der glatte Irrsinn. Er atmete tief ein, hob den Kopf und schaute auf das Bild seiner jungen Frau, die ihn anlächelte. Sie trug einen blonden Kurzhaarschnitt und deutete mit dem Mund einen Kuß an, den sie auf die ausgestreckte Handfläche blies.
Er liebte dieses Foto, er liebte seine Frau, er wollte sie zurückhaben, doch diesmal nutzten ihm weder Beziehungen noch seine Millionen. Nur ein Mann besaß noch die Chance.
John Sinclair!
***
Und Suko hätte sie vielleicht auch besessen, aber der befand sich in keiner beneidenswerten Lage.
Finsternis umgab ihn. Nur hin und wieder fiel durch eine Lücke in der Tunnelwand irgendein Lichtreflex, und der brach sich ausgerechnet noch auf der Messerklinge, deren Spitze auf die Hüfte des Chinesen wies.
Kamikaze würde zustechen, das stand fest. Rücksicht kannte dieser Killer nicht. Die Frage nach dem Zeitpunkt stellte sich. Geschah es im Tunnel, vielleicht im Überschlag?
Suko konnte unter einigen Möglichkeiten wählen, was ihm überhaupt nicht gefiel. Beide wurden sie gegen die gepolsterte Rückenlehne gepreßt, und der Chinese schielte nach rechts auf die lange Klinge. Sie stach wie ein spitzer Stahlarm aus der Faust des Killers.
Es war nicht ruhig. Die Wagen wurden in die Höhe geschoben oder gezogen. Manchmal ratterten sie auch über die Schienen und schüttelten sich, als wollten sie ihre Fahrgäste loswerden.
Kamikaze mußte laut sprechen, um verstanden zu werden. Die Fahrgeräusche wurden von den Tunnelwänden als Echos zurückgeworfen. »Rühr dich nicht, Gelber!« warnte er. »Bald wird ein Toter neben mir sitzen, und kaum jemand merkt es! Es fällt nicht auf, wenn ich mit einer Leiche spazierenfahre!«
Suko nickte.
Er wollte nicht reden und dachte daran, wie er aus dieser verdammten Lage herauskommen sollte. Der Tunnel wollte kein Ende nehmen. Steil und lang war der Anstieg, dementsprechend lang würde auch wieder die Talfahrt werden.
Und dann?
Vielleicht als Toter, wie Suko sich selbst sah. Kamikaze mußte vor dem Überschlagkreisel etwas tun, wenn er Suko loswerden wollte.
Wieder schielte der Chinese auf die Klinge. Er sah auch das Gesicht des Killers.
Wie ein graublauer Schatten kam es ihm vor.
Kamikaze bemerkte Sukos Blick. Breit grinste er und hob andeutungsweise die Schultern. »Keine Chance mehr, Chink. Diesmal steht auch kein Himmelbett zwischen uns.«
»Ich weiß.«
»Wo willst du die Klinge hinhaben? Du kannst es dir aussuchen. Noch hast du
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