0386 - Götzentanz im Märchenpark
dicht an ihr Ohr und flüsterte die Worte hinein. Sie waren in einem für das Baby unverständlichen Dialekt gesprochen. Dazu noch krächzend und auch zischend.
Was er sagte, blieb Baby de Valois auch weiterhin unbekannt. Sie konnte sich dabei nicht vorstellen, daß es sich um Nettigkeiten handelte. Dieser Kleine wollte etwas von ihr.
Noch immer akzeptierte sie ihn nicht als Menschen. Für sie war er eine Mischung aus Mensch und Tier, ein Wesen, das erst am Beginn seiner Entwicklung stand, und sie konnte sich nicht vorstellen, daß so einer überhaupt Eltern gehabt hatte.
Die Finger wanderten.
Sie befanden sich noch in ihren Haarsträhnen. Dabei waren sie hart und fordernd. Gleichzeitig streichelten sie auch, als wollten sie jeden Zentimeter ihrer Kopfhaut genau untersuchen. Und sie näherten sich der Kehle.
Auf einmal wußte Baby Bescheid. In ihrem Innern verkrampfte sich der Magen, die Angst schoß hoch.
Finger an der Kehle!
Kalt und gleichzeitig warm.
Und dabei die Stimme. Flüsternd und versprechend. »Ich werde dich verändern, sehr verändern. Du wirst in meine Sammlung eingehen. Ich kann nicht anders, ich muß es…«
Baby de Valois schloß mit ihrem jungen Leben ab. Sie rechnete fest damit, daß sich die Finger um ihre Kehle schließen und zudrücken würden. Das war falsch.
Vielleicht wäre der Tod sogar gnädiger gewesen als das, was ihr nun bevorstand.
Etwas durchfuhr ihren Körper, wie sie es nie zuvor erlebt hatte.
Dieses Gefühl nahm ihr alles. Die Sicht, die Konzentration, auch den eigenen Willen.
Baby de Valois hatte sich voll und ganz in die Hand des schrecklichen Zwergs begeben.
Und der lachte wie ein kleiner Teufel…
***
Akim Samaran war verschwunden, und wir mußten mit dem Schlimmsten rechnen, als wir die Götzenhöhle betraten. Man hatte sie in das Gelände eingebaut oder integriert. Da schoben sich die Felsen wie ein gewaltiger Berg in die Höhe, der von dichtem Wald umgeben war. Den Eingang sahen wir als großen Schlund, auf den zahlreiche Besucher zustrebten.
Marsha warf einen Blick auf die Uhr. »Ja«, sagte sie. »Es ist bald soweit.«
»Wie beginnt der Tanz?«
»Sie werden sich wundern, John. So etwas haben Sie noch nicht erlebt. Das ist ein Wunderwerk der Technik.«
»Oder der Magie.«
»Nein, ich weiß noch sehr genau, wie es gebaut worden ist. Das hat mit Magie nichts zu tun.«
»Aber jetzt. Vergessen Sie nicht, daß sich ein Typ wie Akim Samaran in den Park begeben hat und ihn nun voll unter Kontrolle bekommt. Er kann den Götzen manipulieren, glauben Sie mir.«
»Was hat er davon?«
»Das müßten Sie eigentlich ihn fragen. Ich weiß es nicht. Wenn er tatsächlich Sokk-Ull nach seiner Pfeife tanzen läßt, dann eigentlich nur, um mir zu imponieren und mir zu zeigen, wer hier die Macht hat.«
»Wir sollten nicht hineingehen.«
Ich hob die Schultern. »Wer aber gibt mir die Gewähr, daß Samaran sich ruhig verhält? Er hat sich zurückgezogen. Er weiß, daß ich den Würfel besitze und ihn suche. Man kann ihn als angeschlagen bezeichnen, und angeschlagene Gegner sind immer gefährlich. Vor allen Dingen drehen sie oft durch.«
Wir waren stehengeblieben und konnten durch den hohen Eingang in das Innere der Höhle schauen. Die Umgebung war in ein düster glosendes Licht getaucht, das auch einen gewaltigen, in die Höhe ragenden Schatten umschmeichelte.
»Denken Sie einfach, Sie wären in einem Zirkus, John«, erklärte mir meine Begleiterin.
Damit hatte sie auch recht. Als wir die Höhle betraten, kam ich mir fast so vor, denn nach rechts und links konnten sich die Zuschauer verteilen und dort auf langen, halbrunden Bankgestellen Platz nehmen, die tatsächlich so aufgebaut waren, als würden sie vor einer Manege stehen.
»Wo sollen wir hin?«
»Nicht zu weit weg.«
Marsha lächelte schmal. »Sie glauben noch immer daran, daß etwas passieren könnte.«
»Glauben?«
»Schon gut.«
Ich ging noch nicht und schaute mich um. Der Götze war momentan uninteressant. Über den Zuschauerrängen entdeckte ich eine Galerie, die etwa in der oberen Hälfte des Götzenkörpers entlanglief. Sie interessierte mich viel mehr.
Ich sprach Marsha darauf an.
»Von dort werden die Aktionen gelenkt.«
»Das ist genau richtig für mich.«
»Wollen Sie hin?«
Ich grinste sie an. »Sicher. Sie haben mir doch berichtet, daß von der Galerie aus die Vögel starten. Drachenähnliche Flugungeheuer, die ihren Kurs auf den Götzen nehmen.«
»Das stimmt.«
»Und so etwas
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