0386 - Götzentanz im Märchenpark
interessiert mich. Außerdem muß ich der Lenkzentrale einen kurzen Besuch abstatten. Bleiben Sie hier unten, Marsha, halten Sie die Stellung!«
»Und wenn etwas passiert?«
»Rufen Sie über Ihr Walkie-Talkie Hilfe herbei.«
»Ich werde es versuchen.« Sie lächelte schmal. Wohl war ihr nicht, mir aber auch nicht. Dieser Götze, den ich mir bisher noch nicht genau angesehen hatte, konnte eine große Gefahr darstellen.
Niemand außer Marsha und mir ahnte etwas davon. Unruhe umgab uns und gleichzeitig eine gespannte Erwartung. Jeder wollte etwas zu sehen bekommen. Man drängte sich auf den besten Plätzen zusammen und schaute zur Mitte der gewaltigen Höhle hin, wo der riesige Götze stand und von künstlichen Nebelschleiern umwallt wurde.
Ich suchte nach Marsha und sah ihren Rücken. Sie hatte sich in die Mitte der Bankreihen gesetzt, so konnte sie direkt auf den Götzen blicken.
Er war ein Koloß!
Irgendwie erinnerte er mich in seinen Körperformen an einen gewaltigen Buddha. Nur stand Sokk-Ull hier auf stammähnlichen Beinen, die einen massigen Oberkörper trugen, der zur Hälfte mit einem Hemd aus Metall bedeckt war. Auf seinem runden, übergroßen Schädel saß ein Metallhelm, der an drei Seiten Lanzenspitzen besaß, die sehr scharf und deutlich abstachen.
Unter dem Helm sah ich das Gesicht. Eine fleischige, irgendwie widerliche Masse. Augen, Lippen, eine Nase, das alles war vorhanden, und die Erbauer hatten es geschafft, den Götzen tatsächlich sehr echt nachzumodellieren.
Wer die neuen Monsterfilme kennt, wird Bescheid wissen. Auch dort sehen die Ungeheuer immer echter aus.
Sokk-Ull stand da wie ein Felsen. Die Zeit bis zum Beginn des Götzentanzes wollte ich nutzen. Es blieben mir ungefähr zehn Minuten. Dabei wollte ich mir noch die Steuerzentrale anschauen, und – wenn es eben ging – versuchen, Akim Samaran zu stoppen, falls er den Götzen manipuliert hatte.
Zur Galerie hoch führte eine Treppe. Aus Sicherheitsgründen wurde sie von einem Eisengeländer flankiert. Die Stufen bestanden aus Holz und bewegten sich unter meinem Gewicht.
Ich beeilte mich. Das Halbrund der Zuschauerbänke blieb unter mir zurück. Dabei hatte ich das Gefühl, als würde der Götze näher kommen. Etwa in Höhe seines massigen Gesichts verhielt ich meinen Schritt. Das Licht fiel aus einem Lampenkreis über dem Schädel des Götzen. Man hatte die Leuchten in den Felsen installiert, das Licht durch farbige Filter verändert, es auch zum Streuen gebracht, damit eine möglichst große Fläche getroffen wurde.
Der Götze sah widerlich aus.
Unter dem Metallhelm wirkte die nachgemachte Fleischmasse wie hineingepreßt. Kinn und Lippen waren nur als Klumpen zu erkennen. Bei der Nase verhielt es sich ebenso, und ich sah zum ersten Mal seine Pranken. Seine Finger erinnerten mich an kurze Gummischläuche.
Die Galerie, auf der ich stand, war ziemlich breit. Ich mußte sie weiter durchgehen. Die Strahlen kleiner Spotlights begleiteten meinen Weg und sorgten dafür, daß ich nicht stolperte.
Rechts von mir brach sich das Licht auf einer großen Scheibe. Sie gehörte zu einer Kabine, die breit gegen den Felsen gebaut worden war und mich an Tonstudios erinnerte. Die Kabine hing praktisch über. Hinter der Scheibe brannte Licht. Menschen sah ich nicht, nur das Schimmern der Instrumententafel.
Ich fand einen Aufgang.
Sehr schmal war die Treppe, über die ich den Steuerstand erreichen konnte. Auf der letzten Stufe entdeckte ich eine weitere Neuigkeit. Man hatte in die Felswand hinein kleine Nischen geschlagen, in denen sich die Figuren aufhielten, die den Kampf gegen den Götzen aufnahmen. Es waren die großen Vögel mit langen Hälsen, spitzen Schnäbeln und weiten Schwingen. Auf den Rücken dieser Fabeltiere hockten die mit Schwertern und Lanzen bewaffneten Krieger.
Vier zählte ich.
Ich merkte mir deren Stellung und wandte mich nach links. Auf einem schmalen Weg schritt ich dem Eingang der Galerie entgegen.
Dabei fiel mir mein Freund Suko ein. Bisher war er mir noch nicht über den Weg gelaufen, ebenso wie Kamikaze, der Killer des Samaran.
War das ein böses Omen? Es konnte sein, daß die beiden sich begegnet waren, aber diesen Gedanken verscheuchte ich vorerst.
Vor der Tür hielt ich an und erlebte eine Enttäuschung: Sie war verschlossen.
Ich drückte und rüttelte an der Klinke. Die Tür blieb zu.
Aber jemand mußte in die Zentrale, um den Götzentanz zu lenken. Gab es noch einen zweiten Eingang?
Ich kam nicht dazu,
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