0387 - Das Grauen geht auf große Fahrt
den Mund legte.
Der Mann achtete nicht auf mich.
Er lief am Rande der großen Splitthalde entlang. Sein Cape flatterte im Wind.
Ich schnellte aus meinem Versteck heraus und rannte an Linda Flynn vorbei. Das Weiß ihrer weit aufgerissenen Augen schimmerte durch die Dunkelheit.
Sie stand da, als sei sie plötzlich gelähmt worden.
Ich rannte hinter »Großfuß« her.
In den Augenblicken war mir eins blitzartig klar geworden: Ich war auf eine heiße Spur gestoßen!
***
»Großfuß«, wechselte nach links hinüber, tauchte unter dem Lichtkreis einer Bogenlampe weg und kam näher an den Berg heran. Er jagte unter den Kipploren entlang und erreichte einen schmalspurigen Schienenstrang, der zum Berg führte.
Bei der letzten Hängelampe verschwand er in der Finsternis.
Ich beschleunigte das Tempo, stolperte über die erste schmale Stahlwelle der Feldeisenbahn und wäre beinahe hingeschlagen. Meine Arme schwangen wie Windmühlenflügel in der Luft herum. Geduckt lief ich weiter. Regen schlug in mein Gesicht.
Immer noch konnte ich Will Wolfe vor mir als schwarzen Schatten erkennen, über dem der helle Schutzhelm als verschwommener Punkt schwebte. Plötzlich war der Helm verschwunden. Ich erkannte, wie »Großfuß« ihn zur Seite schleuderte. Er kollerte die Splitthalde hinab, die unterhalb der Gleise steil abfiel.
»Stehen bleiben«, rief ich nochmals. Doch »Großfuß« reagierte wieder nicht.
Im Laufen zog ich meine Smith & Wesson aus dem Halfter und feuerte einen Schuss in die Luft.
Wolfe rannte weiter.
Ich keuchte und sprang von Schwelle zu Schwelle der einspurigen Bahn.
Jetzt erkannte ich, wohin »Großfuß« flüchtete.
Am Ende der Schienen ragte ein schwarzes, kastenartiges Gebäude in den dunklen Himmel. Es hob sich nur schwach aus der Nacht heraus. Oben auf dem Kasten befand sich ein kleiner, viereckiger Turm mit einem Satteldach.
Plötzlich sah ich »Großfuß« nicht mehr.
Dennoch lief ich weiter und erreichte das Gebäude. Die Schienen liefen eine Schräge hinauf und verschwanden etwa sechs Yards über dem Boden in dem Haus, das aus Brettern gebaut war. Es handelte sich um eine alte Steinmühle, die nicht mehr in Betrieb war. Ich sah an der Seite eine breite Schütte, die zur Hangseite hin aus dem Gebäude herausragte.
In dem breiten schwarzen Einfahrtstor erkannte ich eine Bewegung.
Das konnte nur Wolfe sein.
Sofort darauf entstand ein schepperndes Geräusch, Metall klirrte. Es hörte sich so an, als habe er gegen ein Eisenstück getreten, das klirrend wegflog.
Ich lief die ebenfalls aus Holz bestehende Rampe hinauf. Die beiden Holztüren standen auf. Ich drückte mich an die Wand und blieb stehen. Mit vorgebeugtem Kopf blickte ich ins Innere des Gebäudes, das nach Stein und Staub roch. Zu erkennen war so gut wie nichts. Nur eins nahm ich wahr. Die Schienen liefen zur linken Seite, ich vermutete, dass sie dort irgendwo in der Dunkelheit einen Trichter erreichten, durch den die Steine früher einmal in die Mühle und die Siebe geschüttet worden waren.
Es nützte nichts, wenn ich wie eine Katze vor dem Mauseloch am Eingang stehen blieb. So würde ich »Großfuß« nie fangen können. Ich musste das Risiko auf mich nehmen und in die alte Steinmühle eindringen.
***
In der rechten Hand hielt ich die 38er. In der anderen die Taschenlampe, die ich mitgenommen hatte.
Vorsichtig tastete ich mich in das Gebäude hinein. Ab und zu schaltete ich die Lampe an, orientierte mich und blieb stehen.
Es herrschte Stille in dem verlassenen Holzgebäude. Der Wind hatte sich gelegt, und der feine Nieselregen war nicht zu hören. Nur weiter hinten tropfte monoton Wasser auf Holz.
Ich stieß gegen etwas Hartes und machte die Lampe an. Es war der große Trichter, der mitten in der Mühle stand'. Die Gleise liefen daran vorbei. Ich hielt mich rechts, um ihn zu umrunden. Als ich ihn passiert hatte, sah ich im kurzen Zucken des Lichts die rostigen Trommelsiebe, die sich an den Trichter anschlossen. Von ihnen lief ein breiter Treibriemen hoch, der mit Spinnweben überzogen war und zu einer Transmissionswelle unter dem Dach führte.
Drei Yards von mir entfernt versperrte ein dicker Betonpfeiler den Weg. Ich ließ die Lampe an und ging darum herum.
Kühle Luft schlug mir entgegen. Sie musste von dem Loch heraufkommen, vor dem sich die Schütte befand.
Dann stand ich plötzlich vor einer Öffnung. Das Geländer bestand nur noch aus den beiden seitlichen Pfählen, die Querlatte fehlte. Die Öffnung war etwa drei
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