0389 - Der Ghoul und seine Geishas
dünner. Eine Eiche ist fast für die Ewigkeit gewachsen, aber ihre Äste halten nicht jedem Druck stand.
Sekunden später war es soweit. Suko mußte jetzt alles riskieren.
Er stieß sich nicht ab, glitt noch ein Stück voran und schaffte es plötzlich, mit der ausgestreckten Rechten die Dachrinne zu erreichen, wo er sich festhielt.
Sein Körper rutschte vom Ast nach unten. Suko spürte die Schärfe der Dachkante an seinem Handteller, aber er biß die Zähne zusammen und hielt eisern fest.
Dieser harte Zug dauerte auch nicht sehr lange, da Suko sehr schnell mit der linken Hand nachfassen konnte, das Gewicht so besser verteilte und sich durch einen Klimmzug hochzog.
Es war nicht leicht. Auch die Dachrinne konnte man nicht mit einer stabilen Reckstange vergleichen. Sie bog sich durch, Suko setzte noch mehr Energie ein, und ihm gelang es schließlich, das rechte Bein anzuwinkeln und in die Höhe zu drücken.
Mit seinem Knie stützte er sich auf der Dachrinne ab, die in der Verankerung knirschte, und erst dann gelang es dem Inspektor, sich mit dem Körper seitwärts auf die Schräge zu rollen, wo er sofort die Beine spreizte, um nicht abzurutschen.
So blieb er liegen.
Da der weitere Weg ebenfalls beschwerlich war, mußte Suko zunächst frische Kräfte sammeln.
Er schaute zurück.
Der Ast, auf dem er gelegen hatte, wippte noch immer leicht nach.
Er hatte glücklicherweise das Gewicht des Chinesen gehalten, und seine riskante Turnerei war auch niemandem aufgefallen.
Tief atmete Suko durch. Allmählich verschwand auch der Klumpen aus seiner Kehle, und er drehte den Kopf nach rechts, um dorthin schauen zu können, wo sich die Scheibe des Dachfensters abzeichnete.
Sie war ziemlich schmutzig. Nicht allein Dreck klebte auf ihrer äußeren Seite, auch einige Blätter lagen auf dem Glas, als hätte man sie festgeleimt.
Suko hatte sich bei seiner heimlichen Ankunft trotz allem einen ersten Überblick verschaffen können und festgestellt, daß diese Geisha-Schule gar nicht mal so klein war.
Das Haus besaß mehrere Trakte und mußte seiner Ansicht nach von innen auch ziemlich verwinkelt sein, so daß es ihm schwerfallen würde, Shao auf Anhieb zu finden.
Dieses Problem war sekundär. Zunächst einmal mußte er sich Eintritt verschaffen.
Suko schob sich vor. Dieses Gleiten gestaltete sich äußerst schwierig, da auf den Pfannen ein Film aus Schmutz und Schmiere lag, der sie rutschig gemacht hatte.
Suko blieb in der gespreizten Lage. Er sah aus wie ein X, das mußte so sein, um die optimale Gewichtsverteilung zu erreichen.
Und so näherte er sich dem Ziel. Mit den Knien drückte er sich ab, die Handflächen lagen flach auf den Pfannen. Er selbst war stark ins Schwitzen gekommen und atmete erst auf, als er mit seiner rechten Hand den nach innen gekehrten Rand des Fensters erreichte und sich dort festhalten konnte. Die Ruhepause dauerte nicht lange.
Suko mußte weitermachen, zog die Beine an, drehte seinen Körper und blieb parallel zur unteren Fensterkante liegen.
Jetzt konnte er durch die Scheibe schauen.
Viel bekam er nicht zu sehen. Ein düsteres Dachgeschoß lag unter ihm. An der schlechten Sicht konnte auch die Scheibe einen gewissen Teil der Schuld tragen. Das alles spielte für Suko keine Rolle.
Er würde sie einschlagen.
Suko holte seine Waffe hervor, umwickelte den Griff mit dem Taschentuch und schlug zu.
Suko vernahm das Platzen, er hörte ein Splittern, die Scheibe bekam Risse und ein Loch.
Dieses Loch bestand aus zahlreichen Teilen und Stücken. Zackig und dementsprechend gefährlich.
Suko hatte genau nach irgendwelchen dünnen Drähten einer Alarmanlage Ausschau gehalten, aber keine gefunden. Das gab ihm auch weiterhin eine gewisse Sicherheit, als er den Arm durch die Öffnung steckte, die Hand drehte und versuchte, den Fensterhebel zu erreichen.
Es gelang.
Hart faßte der Chinese zu. Schon beim ersten Versuch drehte er ihn herum, so konnte er das Fenster kippen. Vor ihm schwang es in die Höhe. Er ließ die Scheibe hochkant stehen, begutachtete die entstandene Lücke und fand sie breit genug, um hindurchsteigen zu können.
Ein wenig mußte sich der Mann auf dem Dach noch drehen, dann hatte er es geschafft.
Er schlüpfte durch die Lücke.
Der Rest war im Vergleich zu dem, was hinter ihm lag, ein reines Kinderspiel.
Wie ein geübter Turner hangelte sich Suko in die Tiefe und berührte sehr schnell mit beiden Füßen den Boden, wo er zunächst einmal stehenblieb und lauschte.
Seine letzte
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