Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
039 - Der schwarze Abt

039 - Der schwarze Abt

Titel: 039 - Der schwarze Abt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
Vom Netzwerk:
Seiner Gnaden, die nie vornehm getan hatte, und er würde sie gern eingelassen haben, um so mehr, als er vermutete, auch seinem Herrn wäre der Besuch nicht unwillkommen gewesen. Indessen konnte jederzeit irgendwo aus dem Hintergrund Dick Alford auftauchen, ein kurz angebundener Mann, nicht nur imstande, ihm die Tür zu weisen, sondern ihn auch gleich durch sie hinauszubefördern.
    »Tut mir sehr leid, Miss, aber Befehl ist Befehl!«
    »So - ich werde also von der Schwelle des Hauses gewiesen, das mein eigenes hätte werden können, Thomas!«
    Er versuchte, eine teilnahmsvolle Miene aufzusetzen, aber außer einem ziemlich blöden Gesichtsausdruck kam dabei nichts zustande. Trotz ihres Ärgers lächelte sie ihm zu, beehrte ihn mit einem Händedruck und wandte sich zum Gehen.
    »Miss Wenner -«, berichtete er dem Butler in der Dienerstube, »die Alford an die Luft setzte, weil er fand, sie gefiele Seiner Gnaden zu sehr. Und ...«
    Ein Klingelzeichen rief ihn in die Bibliothek.
    »Wer war die Dame, die ich weggehen sah?«
    »Miss Wenner, Mylord.«
    Ein Schatten flog über Harry Alfords Gesicht.
    »Baten Sie sie, einzutreten?«
    »Nein, Mylord. Mr. Alford befahl ...«
    »Aber natürlich. Ich hatte es vergessen. Danke.«
    Den grünen Schutzschirm auf die Augen herabziehend, denn er arbeitete hier auch am Tage bei künstlichem Licht, nahm er die Lektüre wieder auf. Aber es fiel ihm schwer, seine Gedanken auf den Inhalt des Folianten zu konzentrieren. Er erhob sich und ging, die Arme verschränkt, mit gesenktem Kinn eine Weile hin und her, bis er vor dem Bild seiner Mutter haltmachte. Mit einem Seufzer kehrte er zum Schreibtisch zurück. Dort lag ein Artikel, den er aus einer Londoner Zeitung ausgeschnitten hatte und den er, teils geschmeichelt, Gegenstand von Pressekommentaren zu sein, teils erzürnt, zum drittenmal las.
    ›Chelfordbury, ein verschlafenes Dorf in Sussex, frönt dem aufregenden Sport der Gespensterjagd. Der Schwarze Abt von Fossaway ist nach einer längeren Ruhepause wieder aufgetaucht. Die Legende besagt, daß vor siebenhundert Jahren Hubert von Redruth, Abt von Chelfordbury, auf Befehl des zweiten Grafen von Chelford ermordet wurde. Seitdem hat man von Zeit zu Zeit seinen Geist gesehen. In den letzten zehn Jahren liefen in der Gegend Gerüchte von einem Wesen um, das auf grausige Art schrie und heulte, in der vergangenen Woche jedoch will man das Gespenst auch wieder gesehen haben. - Mit Fossaway ist außer dieser Gespenstergeschichte noch eine andere Legende verknüpft. Vor vierhundert Jahren wurde irgendwo auf dem Besitztum ein Goldschatz vergraben, und zwar so gut, daß er nie entdeckt werden konnte, obwohl die Grafen von Chelford stets eifrig nach dem Hort der Ahnen forschten. - Der jetzige Graf von Chelford, der mit Miss Leslie Gine, der einzigen Schwester des bekannten Rechtsanwalts und Notars, verlobt ist, teilte unserem Korrespondenten allerdings mit, daß die Erscheinung des Schwarzen Abtes lediglich auf einen taktlosen Scherz junger Leute aus der Nachbarschaft zurückzuführen sei.‹
    Er wollte den Zeitungsausschnitt zerreißen, besann sich aber und legte ihn unter einen Briefbeschwerer. Der letzte Passus des Artikels klang ja recht beruhigend, doch so sehr Harry Alford auch seine Skepsis beteuerte - im geheimen war er felsenfest von der Existenz des Schwarzen Abtes überzeugt.
    Nervös drückte er auf die elektrische Klingel. »Ist Mr. Richard zurück?«
    »Nein, Mylord.«
    »Wohin, zum Kuckuck, geht er nur jeden Vormittag?« Ärgerlich klopfte er mit der Hand auf die Schreibtischplatte. Thomas tat - klugerweise - so, als hätte er nichts gehört.

2
    Das letzte Getreide war gemäht; wie gelbe Grabsteine standen die Garben auf dem kahlen Boden. Jenseits der Felder, wo die alte, graue Kirchturmspitze hinter vollen Baumkronen hervorragte, lag Chelfordbury, und dahinter begannen die grünen und weißen Dünen von Sussex.
    Dick Alford saß auf einem Zaun auf einer Hügelkuppe, von wo aus man fünfzehn Meilen im Umkreis das offene Land überblickte. Eine kleine Drehung des Kopfes, und er konnte den Gutshof, die grünen Dächer und Kuppeln von Fossaway, die breiten Rasenflächen und kunstvoll gestutzten Eibenhecken sehen. Doch weder Kornfelder noch Dünen, weder Herrenhaus noch Lustgarten interessierten ihn im Augenblick. Er beobachtete eine junge Dame, die eilig den sich windenden Pfad heraufkam, der zu seinem Sitzplatz führte.
    Sie sang etwas und ließ dazu, wie ein Tambourmajor den Stab, ihre

Weitere Kostenlose Bücher