039 - Tod in der grünen Hölle
Gefolgsmannes des Francisco Pizarro hatte er es gesehen. Es war das Gesicht von Atahualpa, dem Inkaherrscher – jener Atahualpa, der am 19. August 1533 von den Spaniern in Cajamarca nach einem Scheinprozeß hingerichtet worden war.
Vor Lipwitz und dem Suchkommando standen Inkas, wie sie vor über vierhundert Jahren gelebt hatten, und sie wurden von einem Mann angeführt, der seit mehr als vier Jahrhunderten hätte tot sein sollen.
»Ergebt euch!« rief Atahualpa.
Lipwitz riß mit einem erstickten Schrei das Remington-Repetiergewehr hoch und schoß dem Inkaherrscher eine Zehn-Millimeter-Kugel durch den Kopf. Atahualpas Schädel hätte wie eine überreife Melone zerplatzen müssen, doch nichts dergleichen geschah. Der Inka blieb auf den Beinen. Aus dem Einschußloch quoll eine gallertartige, graue Masse und verschloß die Wunde. Atahualpa lachte höhnisch.
Als hätte der Schuß einen unheilvollen Bann gebrochen, begann nun ein wilder, kurzer Kampf. Atahualpa zeigte mit ausgestrecktem Finger auf Roger Ballard. Ihn trafen kein Pfeil, keine geschleuderte Kriegskeule, kein Obsidianbeil, obwohl er drei Inkas mit kurzen Feuerstößen fällte. Calo starb, bevor er mit seiner Winchester feuern konnte. Mehrere Pfeile hatten seine Brust und seine Kehle durchbohrt. Von den Indios lagen drei am Boden, ohne Gegenwehr ihr Schicksal erwartend, einer versuchte zu fliehen. Eine Kriegskeule zerschmetterte den Schädel des Flüchtenden.
Tiquito verteidigte sich verbissen. Er zog immer wieder den Abzug des Schnellfeuerkarabiners durch und wunderte sich, weshalb die Waffe nicht schoß, wie er es bei den weißen Männern gesehen hatte. Er hatte sie noch immer nicht entsichert. Ein Pfeil fuhr ihm in den Unterleib, und dann waren die Inkas heran. Ein wildes Handgemenge begann.
Jorge erschoß einen Inka mit seiner Doppelflinte. Dann sauste ein Obsidianbeil horizontal heran, traf seinen aufgerissenen Mund und schlug ihm die Zähne aus. Das Beil blieb im Kieferknochen stecken. Unartikulierte Laute kamen aus Jorges Mund. Er ließ die Doppelflinte fallen. Obsidianklingen teilten ihn förmlich in Stücke.
Tiquito schlug mit dem Karabinerkolben um sich und wurde niedergemetzelt.
Ein Inka entriß Roger Ballard das Schnellfeuergewehr. Roman Tipwitz, der bis jetzt voller Entsetzen und fassungslos Atahualpa angestarrt hatte, erwachte aus seiner Erstarrung und kämpfte um sein Leben. Er ließ das Remington-Repetiergewehr fallen und zog den schweren Ruger-Revolver aus der Halfter. Der Super-Blackhawk, Kaliber .44 Magnum, krachte wie eine Kanone. Lipwitz spürte den Rückstoß im ganzen Arm.
Der Inka, dem er die Waffe vor den Bauch gehalten hatte, wurde von den Beinen gerissen. Wieder schoß Lipwitz und dann noch einmal. Zwei weitere Inkas stürzten zu Boden, tot der eine, schwerverletzt der andere. Der Super-Blackhawk konnte selbst einen Büffel umlegen.
Lipwitz hatte sich etwas Luft verschafft. Er sah, wie sein Freund Roger Ballard niedergerungen wurde und wie die Inkas die drei Indios niedermetzelten, die noch am Leben waren. Die Inkas kämpften völlig lautlos, nur das Röcheln und die Todesschreie der Sterbenden und das Stöhnen der Verwundeten waren zu hören.
Der kleine Lipwitz hatte einen Brustkasten wie ein Gorilla und enorme Kräfte. Er schlug einem Inka den schweren Revolverlauf quer übers Gesicht, durchbrach mit einem Sprung den Ring der Angreifer und flüchtete in die Büsche.
»Halt!« donnerte Atahualpas Stimme hinter ihm.
Lipwitz hörte hinter sich Rascheln, Knacken und die Rufe der Verfolger. Blindlings stürmte er weiter. Nur weg von hier – weg , das war sein einziger Gedanke. Er wich einem völlig verfilzten Gestrüpp aus und fiel fast in einen stinkenden Tümpel. Eine giftige Buschmeisterschlange zischte ihn an, aber Lipwitz sah sie ebensowenig wie das Netz einer faustgroßen, haarigen Spinne. Er rannte hinein und hatte die Spinne am Hals sitzen. Die Giftzangen der Tropenspinne bohrten sich wie glühende Nägel in seinen Hals.
Er stieß einen Schrei aus, riß sich die Spinne vom Hals und schleuderte sie weg. Sein rechter Fuß verfing sich in einer Luftwurzel. Der kleine Mann stürzte zu Boden und verstauchte sich ein Fußgelenk. Der Schmerz war so groß, daß ihm Tränen in die Augen traten. Hinter sich hörte er die Rufe der ihn verfolgenden Inkas. Sie kamen näher.
Der Spinnenbiß brannte wie Feuer. Lipwitz spürte seinen Puls im Hals klopfen, und sein Herz hämmerte. Er hatte gräßliche Angst vor dem Tod.
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