039 - Tod in der grünen Hölle
wie ein Schwerverletzter stöhnend.
Parker nahm den Zeremoniendolch, den Dorian hatte fallen lassen. Er stach noch ein paarmal auf Atahualpa ein. Das Fleisch des Dämons war kalt. Aus den Stichwunden quoll eine graue, gallertartige Masse, widerlicher Schleim, die dämonische Substanz, die den Körper belebte. Sie wurde zu einer zwei Meter langen, armdicken Schlange, die auf das Ufer zukroch, um in den Fluß zu flüchten. Aber Jeff Parker bannte die Gallertschlange, den eigentlichen Dämon, mit dem Zeremoniendolch. Das scheußliche Geschöpf zuckte und wand sich, aber die magische Kraft des Dolches hielt es fest.
Dorian zog sein Gasfeuerzeug heraus und stellte die Flamme auf groß. Mit dem Flammenstrahl berührte er den Schlangenkörper. Schon die erste Berührung genügte. Die dämonische Substanz brannte wie Zunder. Eine zuckende Feuerschlange wand sich um den goldenen Inkadolch.
Die Männer und das Mädchen Sacheen sahen zu, wie die Flammen den Körper des Dämons aufzehrten. Es stank abscheulich, und ein seltsames Geräusch war zu hören, als schmore fettes, saftiges Fleisch in heißer Kohlenglut.
Dann war von dem Dämon nichts mehr da. Der Leichnam Atahualpas veränderte sich in Sekundenschnelle. Er wurde zu einer dürren, zusammengeschrumpften Mumie mit bleckenden Zähnen.
Dorian ließ die sechs Inkas, die bei der Schießerei unverletzt geblieben oder nur leicht verwundet worden waren, und die schwerer Verletzten zur Stadt tragen. Neun Inkas hatten bei dem Kampf ihr Leben verloren; von den Weißen war nicht einmal einer verwundet worden.
Die neuen Herren zogen in der Stadt El Dorado ein. Dorian Hunter und Jeff Parker führten die Expedition an, die mit schußbereiten Gewehren einmarschierte. Aber die Inkas dachten nicht an Gegenwehr. Sie waren an Autorität gewöhnt und unterwarfen sich sofort den Männern, die den mächtigen Dämon getötet hatten.
Ein alter Inka warf sich vor Dorian zu Boden und berührte mit seiner Stirn die Erde. »Du bist mein Herrscher«, sagte er in der alten Inkasprache, die Dorian verstehen konnte. Georg Rudolf Speyer hatte ihm dieses Wissen praktisch vererbt. »Unser Leben und alles, was wir haben, gehört dir. Ich spreche für die ganze Stadt.«
»Steh auf!« sagte Dorian. »Wir kommen nicht als Feinde. Ich will mit der Prinzessin Machu Picchu sprechen.«
»Sie schläft, Herr.«
Dorian Hunter hatte geglaubt, mit dem Tod des Dämons würde Machu Picchu erwachen, aber als er sie von ein paar Inkas aus der Pyramide ins Freie tragen ließ, zeigte sich, daß das nicht der Fall war. Dorian rüttelte sie, sanft zuerst, dann heftiger. Doch die schöne Inkaprinzessin schlief weiter, ein rätselhaftes Lächeln auf den Lippen.
David Astor, der Missionar und Wissenschaftler mit dem Vollbart und der Kutte, untersuchte sie. »Das ist kein natürlicher Schlaf.«
»Laßt die Prinzessin schlafen!« bat der alte Inka. Bis auf fünf hatten sich die Bewohner der Stadt in die Gebäude zurückgezogen. »Sie zu wecken, würde nur Unheil heraufbeschwören.«
Jeff Parker und seine Freunde konnten es kaum erwarten, in die Schatzkammern von El Dorado einzudringen. Sie waren am Ziel. Das Goldfieber brannte ihnen in den Augen. Sie waren nervös wie Rennpferde vor dem Start.
Dorian Hunter war nachdenklich. Er wollte nichts überstürzen, denn er ahnte, daß mit dem Tod des Dämons noch keineswegs alles abgetan war. Er sah aber, daß er die anderen nicht abhalten konnte.
Gedankenvoll schaute er auf die schlafende Prinzessin nieder, die vor ihm auf einem prächtigen Katafalk lag.
»Was beschert uns diese Stadt, Machu Picchu, was erwartet uns? Unermeßliche Schätze oder grausige Schrecken?«
Unergründlich lächelte die schlafende Machu Picchu.
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