039 - Wolfsnacht
Sie in den letzten Tagen zusammengeschmiert haben, ist es eine Unverfrorenheit sondergleichen, daß Sie sich heute hierher wagen!«
»Regen Sie sich ab, Inspektor. Machen wir uns doch nicht gegenseitig das Leben schwer.«
»Sie würden einen dicken Pluspunkt von mir kriegen, wenn Sie mich jetzt von Ihrer Gegenwart befreiten!«
»Wie wär’s, wenn wir unsere Unterhaltung anderswo fortsetzen würden, Inspektor? In einer Umgebung, in der Sie weniger gereizt sind. Was halten Sie von einem Drink?«
»Ich bin nicht wie Sie, Delcredy. Ich trinke nicht mit denen, die ich hasse!«
Der Reporter lachte. »Das glaube ich ihnen nicht, Inspektor. Sie hassen mich nicht wirklich.«
»Vielleicht haben Sie recht, weil Sie eine so große Investition an Gefühlen nicht wert sind!«
Sergeant Dahl trat ein.
»Sergeant!« sagte Sam Taylor. »Werfen Sie Delcredy raus!«
Der Reporter hob abwehrend die Hände. »Okay, okay, ich weiche der Gewalt, Inspektor. Aber was ich in meinem Bericht bringe, werden Sie sich nicht hinter den Spiegel stecken.«
»Vorsicht!« knurrte Taylor. »Ich könnte das als gefährliche Drohung auffassen und Sie einlochen.«
»Ich darf dann wohl ein andermal wiederkommen.«
»Sobald ich im Ruhestand bin, sind Sie hier jederzeit gern gesehen«, sagte Taylor ätzend. Er nickte seinem Sergeant zu, und dieser schob den lästigen Reporter mit sanfter Gewalt aus dem Raum. Er drückte ihm die Tür auf die Nase und schüttelte den Kopf.
»Wenn ein fieserer Kerl auf die Welt kommt, muß Delcredy sterben«, sagte Dahl. »Aber es sieht so aus, als würde der Reporter uns alle überleben.«
»Manchmal hätte ich Lust, ihn nach allen Regeln der Kunst zu verdreschen. Weiß der Kuckuck, warum ich es nicht tue.«
Dahl grinste. »Sie sollten sich diesbezüglich wirklich keinen Zwang anlegen, Sir. Das schlägt sich sonst auf Ihren Magen. Und das ist Marc Delcredy nicht wert.«
»Sie sagen es. Erinnern Sie mich daran, wenn er mir nächstens wieder auf die Nerven geht. Und jetzt kommen Sie, wir werden erwartet.«
»Von wem?«
»Von dem Anrufer, der den Mann sprechen wollte, der den Wolf jagt. Hank Wilson ist sein Name. Beruf: Hausmeister. Wenn er recht hat, heißt das Monster Steve Hodiak.«
Sie verließen das Yard-Gebäude, und Sam Taylor fiel auf, daß Marc Delcredy auf der gegenüberliegenden Straßenseite auf der Lauer lag. Der Reporter wollte wissen, wohin die beiden Polizisten fuhren.
»Das schlägt dem Faß den Boden aus!« wetterte der Inspektor.
»Los«, sagte er zu John Dahl, der den Dienstwagen steuerte, »drücken Sie etwas fester auf die Tube, Sergeant!«
»Ich fürchte, das wird nichts nützen, Sir. Delcredy ist der bessere Autofahrer, das weiß ich.«
»Dann müssen wir ihn uns anders vom Hals schaffen«, brummte Taylor und hakte das Mikrophon los. Er setzte sich mit der Funkzentrale in Verbindung und forderte einen Streifenwagen an. Er nannte Delcredys Kennzeichen und verlangte, daß man den Fahrer gründlich überprüfte. »Die Kollegen sollen ihn ordentlich auseinandernehmen. Vielleicht entdecken Sie irgendeine Unregelmäßigkeit… Dann gleich festnehmen, nicht lange fackeln!«
»Wird erledigt, Inspektor.«
»Der Mann wird einen Presseausweis vorzeigen, der unter Umständen gefälscht ist. Überprüfen!«
»Okay, Inspektor. Sonst noch Wünsche?«
»Nein, das wäre alles, Ende.«
Sergeant Dahl schmunzelte. »Aber Sir, Sie wissen doch, daß der Presseausweis echt ist.«
»Ich weiß es, Sie wissen es, aber unsere Kollegen, die sich um Delcredy kümmern werden, wissen es nicht«, erwiderte Sam Taylor und kniff die Augen schelmisch zusammen.
Drei Minuten später tauchte hinter Marc Delcredy ein Streifenwagen auf, überholte den Reporter und hielt ihn an. Sam Taylor nickte zufrieden. »Den wären wir los. Also, Sergeant, Sie wissen, wohin Sie nun fahren müssen.«
Das Haus, vor dem der Dienstwagen zehn Minuten später anhielt, war alt, viktorianischer Stil. John Dahl blickte an der Fassade hoch und meinte: »Hier also wohnt der Werwolf.«
»Wenn’s wahr ist«, schränkte Sam Taylor ein und betrat als erster das Gebäude.
***
Mit einem Wolf mußten wir sicher rechnen – und zwar mit jenem, der Leif Stanwyck in der vergangenen Nacht so übel zugerichtet hatte. Doch nun war Stanwyck im Begriff, ebenfalls zur Bestie zu werden.
Wenn es meinen Freunden und mir nicht gelang, diese Entwicklung zu stoppen, hatten wir es mit zwei Werwölfen zu tun, und das rief in meinem Magen ein flaues Gefühl
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