0391 - Der flüsternde Tod
sollte er anrufen?
Es fiel ihm schwer, eine Entscheidung zu treffen, denn er kannte die entsprechenden Stellen nicht, aber nördlich von Devon, nahe der Küste lag Militär.
Eine Kompanie Nahkämpfer, die auch im Falkland-Krieg eingesetzt worden waren. Unter Umständen konnte er sich von diesen Männern Hilfe erhoffen. Wie er sie erreichen sollte, wußte er nicht, aber es gab die Auskunft, die würde ihm weiterhelfen.
Wie eine schwere Last hob er den Hörer ab. Alles hatte sich verändert, sogar ein völlig normaler Telefonhörer. Er schien das Dreifache seines früheren Gewichts zu besitzen.
Officer Watson preßte ihn gegen sein schweißnasses rechtes Ohr.
Die andere Hand näherte sich der Tastatur, aber die Fingerspitzen berührten die einzelnen Kontakte erst gar nicht, weil Watson plötzlich etwas auffiel.
Die Leitung war tot.
Das konnte es doch nicht geben. Mit dem Hörer am Ohr schüttelte er den Kopf, versuchte es trotzdem, tippte die kurze Nummer der Auskunft ein, aber es tat sich nichts.
Die Telefonleitung war und blieb unterbrochen!
Watson wurde fahrig. Er fuhr über seine nassen Wangen, legte den Hörer wieder auf und beugte sich auf seinem Stuhl zur Seite, um den Weg der Anschlußschnur verfolgen zu können.
Sie lief im Verteilerkasten aus. Niemand hatte sie durchtrennt oder unterbrochen.
Also mußte die andere, die höllische Kraft dahinterstecken. Sie allein trug für diesen Defekt die Verantwortung, und der Polizist spürte plötzlich wie es heiß in ihm hochstieg.
Es waren regelrechte Hitzewellen, die durch seinen Körper rollten und auch sein Herz umklammerten. Er war gefangen!
Man hatte ihn und die anderen gefangen, regelrecht von der normalen Außenwelt abgeschnitten. Es war nicht mehr möglich, irgendwo Hilfe zu holen. Und diese Gewißheit peitschte die Angst in ihm hoch. Er wußte nicht mehr, was er noch tun sollte. Vielleicht zu Fuß den Ort verlassen, sich irgendwo verstecken und so lange zu warten, bis alles vorbei war.
Aber mußte er nicht auch den anderen Menschen diese Chance einräumen? Im Prinzip ja, er war der einzige Ordnungshüter in Devon, doch in diesem Fall war sich jeder selbst der nächste.
Wer im Haus oder in der Wohnung bleiben wollte, sollte es auch.
Er würde nicht mehr länger in Devon leben.
Der Polizist stand auf. Das drückende Gefühl blieb. Sein Herzschlag hatte sich noch immer nicht beruhigt, im Gegenteil, das Gefühl der Angst verstärkte sich noch, als würde etwas auf ihn zukommen, daß er nicht mehr aufhalten konnte.
Eine neue Gefahr.
Officer Watson drehte sich auf der Stelle. Sein Blick traf das Fenster. Wenn jemand auf ihn lauerte, dann sicherlich draußen auf der Straße oder dem Gehsteig. Um das erkennen zu können, näherte er sich dem Fenster, das er nicht geschlossen hatte.
Wieder beugte sich Rolly nach draußen – und fuhr im nächsten Augenblick mit einem Schrei auf den Lippen zurück, denn er hatte das Schreckliche genau erkannt.
Über der Straße und fast in Höhe der Hausdächer schwebte der flüsternde Tod!
Nie zuvor und auch nicht auf irgendwelchen Bildern hatte Rolly Watson eine so schaurige Szene gesehen. Wie konnte ein Totenschädel so gewaltige Ausmaße annehmen, daß er fast die Höhe eines normalen Wohnhauses erreichte? Und wie kam es, daß dieser blanke Kopf blutrote Lippen besaß? Was sollte das permanente Grinsen bedeuten? Überlegenheit?
Der Schädel war gekommen und blieb nicht stehen, denn sein Ziel mußte das Ende der Straße sein.
Zahlreiche Häuser hatte er bereits passiert, er war auch gesehen worden, aber niemand stellte sich ihm entgegen. Die heiße Furcht hielt die Menschen in den Wohnungen.
Rolly Watson konnte ihn deutlich sehen. Und er erkannte auch, daß seine äußere Knochenmasse nicht so kompakt war, wie es den Anschein gehabt hatte. In ihrem Innern malte sich das Gesicht eines jungen Mädchens ab.
Zuerst glaubte der Mann an eine Täuschung. Er sah genauer hin, und plötzlich wußte er, wer in dem Schädel steckte. Bei einem Besuch im Zigeunerlager hatte er die Kleine gesehen. Sie war ihm aufgefallen, weil sie so gut aussah. Das mußte das Zigeunermädchen Sarita sein, das von den beiden Brüdern gejagt worden war.
Nach einer Erklärung zu suchen, war für den Beobachter müßig.
Er hätte sie doch nicht gefunden und war nur froh, als der gewaltige, dunkle Knochenschädel auch sein Haus passierte und weiter die Straße hinabschwebte. Er glitt über die Teufelsspuren hinweg, denen er nichts tat.
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