0392 - Der Rachedolch
erreichen. Aber so wie sie besaß auch Zamorra eine hypnosuggestiv verankerte Barriere, die verhinderte, daß andere seine und ihre Gedanken gegen ihren Willen lesen konnten. Wenn Telepathie möglich sein sollte, mußte die Barriere willentlich vorübergehend ausgeschaltet werden.
Aber Zamorra hatte das nicht getan. Nicole konnte keine Schwingungen wahrnehmen.
Doch dann mußte Zamorra bemerken, was sie wollte. Er baute von sich aus die Sperre ab. Verzerrte Bilder stürzten jäh durch Nicoles Bewußtsein. Sie begriff von einem Moment zum anderen, was vorging, als sie Kontakt mit seiner Gedankenwelt bekam. Da war Angst vor dem Tod und zugleich eine aufgezwungene Gleichgültigkeit. Eine furchtbare Gleichgültigkeit, die verhinderte, daß Zamorra gegen den schleichenden Tod ankämpfte! Er starb, er wollte etwas dagegen tun und konnte es nicht! Innerlich schrie er um Hilfe, aber dieser Schrei drang nie bis zur Oberfläche vor, wurde einfach abgefälscht und blockiert.
Die Schnittverletzung! Von dort breitete sich die vergiftete Zone aus, verhärtete sich, und mit dieser Verhärtung würde der Tod kommen, wenn die Organe ihre Tätigkeit einstellten. Schon jetzt war Zamorra so kraftlos, daß er sich nicht einmal mehr selbst erheben konnte. Der Körper hatte all seine Reserven verbraucht, als er gegen die Verglasung anarbeitete und unterlag. Das andere war stärker…
Nicole sah aber auch, daß das Amulett diesen Vorgang verlangsamen konnte.
Zamorra wußte, daß er mit ihr in telepathischem Rapport war. Er konnte sich ihr nicht bewußt mitteilen, aber er konnte sie forschen lassen. Und sie fand, daß er gegen seinen Willen das Amulett von seiner Brust entfernt hatte.
Sie hob es sofort auf und legte es wieder auf die Brust. Sie sah, wie seine Finger zuckten. Das Fremde, das ihn beherrschte, wollte das Amulett wieder entfernen. Aber der Körper besaß die Kraft für diese Bewegung jetzt nicht mehr.
Zamorra stöhnte verhalten. Schmerz und Verzweiflung lagen darin, und dumpfe Furcht vor dem Tod, der unaufhaltsam kam. Mehr aber noch, jetzt, da der Kontakt geschaffen war und Zamorra Nicoles Nähe und ihre forschenden Gedanken fühlen konnte, die Angst vor dem, was danach kommen würde: Was wird aus Nicole? Wie wird sie damit fertig werden?
Sie wollte ihm zuraunen: »Mach dir keine Gedanken. Erstens wirst du nicht sterben, und zweitens werde ich es schon irgendwie schaffen.« Aber sie konnte nicht lügen. Er erkannte es in ihren Gedanken. Er erkannte, daß sie nicht wußte, wie sie den Vorgang aufhalten konnte, und daß sie seinen Tod nicht verkraften würde. In ihr machte sich die gleiche Beklommenheit breit wie in ihm.
Rasch zog sie ihre geistigen Fühler zurück. Sie wollte ihn nicht mehr beunruhigen, als es unbedingt nötig war.
Aber es mußte doch eine Möglichkeit geben…
Ein anderer Gedanke kam ihr. Der Dolch war eine Waffe der Ewigen. Ließ sich das Gift vielleicht mit deren Mitteln neutralisieren? Sie mußte es mit Zamorras Dhyarra-Kristall versuchen. Wenn es nicht gelang, mußte sie den Mörder aufspüren. Er mußte ihr verraten, wie der Effekt aufzuheben war.
Sie ballte die Fäuste. Ihr war klar, daß der Ewige nicht freiwillig reden würde. Und es war nicht ihre Art, jemanden zu quälen. Aber sie wußte, daß sie über ihren Schatten würde springen müssen, wenn sie den Ewigen zum Reden zwingen wollte.
Es würde sein müssen.
Und davor hatte sie fast noch mehr Angst…
Der Dhyarra-Kristall befand sich noch im Kofferraum des Autos.
Wenn der nicht auch aufgebrochen worden war! durchfuhr es sie. Sie stürmte aus dem Zimmer, über den Korridor und zur Haustür. Es ging möglicherweise um Minuten. Jede gewonnene Sekunde zählte, so oder so. Und sie hoffte inständig, daß es möglich war, Zamorra zu heilen oder den Ewigen zu finden.
Sie riß die Tür auf und sprang in die Nacht hinaus. Der Regen hatte wieder eingesetzt und peitschte ihr ins Gesicht. Und da war noch etwas.
Aus dem Nichts heraus entstand eine flirrende Gestalt, festigte sich -und prallte mit ihr zusammen.
Hände wie Stahlklammern packten zu und hielten Nicole fest.
***
Der Sauroide verlor allmählich die Geduld. Gryf mußte etwas zugestoßen sein! So lange konnte er einfach nicht brauchen. Entweder überredete er Zamorra, oder er überredete ihn nicht. Und daß Sid Amos ihn nicht finden konnte, ließ das Schlimmste befürchten.
Reek Norr tastete nach seiner Maske. Sie saß gut und perfekt. Mit ihr konnte er sich durchaus in
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