0396 - Leonardos Zauberbuch
Milano an? Es reichte schon der Hinweis, daß das Oberhaupt von Verona Terzotti einen Gefallen schuldete. Weitere Verflechungen brauchten Malone nicht zu interessieren. Wahrscheinlich hätte er sich vor Entsetzen an den Kopf gefaßt, wie eng die geschäftlichen Verbindungen waren, die Terzotti zwischen der Sekte und der Mafia geflochten hatte. Mochte Malone die Bestechlichen unter den Polizisten kennen, so kannte Terzotti seine Pappenheimer von der anderen Feldpostnummer.
»Statt zu reden, solltest du etwas tun«, sagte Terzotti mit der Befehlen-
den Stimme. Sie wirkte auch durchs Telefon. »Wir treffen uns in Gambinos Wohnung. Deine Leute haben sie hoffentlich noch nicht versiegelt.«
»Wenn ja, werde ich das Siegel eben wieder öffnen«, sagte Malone. »Kein Problem. Bis gleich, Ettore.«
Er legte auf, ehe Terzotti noch etwas sagen konnte.
Der Sektenpriester ballte die Fäuste.
Er fragte sich, was Gambino nun unternahm. Der mußte doch wissen, daß er gejagt wurde. Aber vielleicht saß er schon längst nicht mehr selbst am Steuer seines Wagens, sondern ließ von jemandem eine falsche Spur legen. Es gab unzählige Möglichkeiten. Aber er mußte gefunden werden, so oder so.
»Und dann, Fürst der Finsternis, laß deine Getreuen nicht im Stich«, murmelte Terzotti, während er in den Sakko schlüpfte und nach dem Wagenschlüssel griff. »Schließlich haben wir verdammt teuer dafür bezahlt…«
***
Serpio Malone hatte schnell geschaltet und der polizia stradale den Tip gegeben, daß ein roter GTO mit garantiert weit überhöhter Geschwindigkeit auf der Autostrada Milano-Brescia unterwegs war, am Lenkrad der Dieb eines wertvollen Kunstgegenstandes in Form eines Buches.
Die Autobahnpolizei schickte an der nächsten. Auffahrt einen Streifenwagen los, der den Ferrari aufhalten sollte. Bloß klappte das nicht, weil der Lancia mit flackerndem Blaulicht zwar vor dem heranfegenden roten Blitz erschien, der aber keine Anstalten machte, anzuhalten. Der schnell fahrende Lancia-Lenker versuchte auf den beiden Fahrstreifen der Autobahn zu tanzen, aber der Ferrari drängte ihn fast ab. Der Polizeifahrer wich aus, weil er bei diesm Affentempo keinen Unfall provozieren wollte. Schon eine leichte Berührung der Fahrzeuge konnte zu einem Fiasko führen. Und der Ferrari war auf jeden Fall schwerer und massiger und würde den Lancia förmlich von der Piste katapultieren.
Seine punktförmigen Rückleuchten verglommen weit voraus in der Ferne.
Der Beifahrer des Polizeiwagens griff zum Funktelefon und informierte die Kollegen weit voraus.
Die schickten gleich drei Wagen in den Einsatz, die nebenander fuhren und die Autobahn damit dicht machten. Nicht einmal die Standspur war jetzt mehr zu benutzen, die ohnehin durch ihre Holperigkeit keine hohen Geschwindigkeiten zuließ.
Der Ferrari lief auf.
Sein Fahrer riskierte alles. Er schien nicht einmal abzubremsen. Mit der Lichthupe signalisierte er den Blockadefahrzeugen, daß er gewillt war, durchzubrechen. Wahnsinnig schnell kam er heran.
Im letzten Moment zog einer der Polizeifahrer seinen Wagen nach links weg, schrammte an der rostigen Leitplanke des Mittelstreifens entlang und schuf dem Ferrari damit eine schmale Gasse, in der gerade rechts und links ein paar Zentimeter Platz blieben, als der rote Blitz zwischen den Polizeiwagen hindurchschoß.
Er schaffte es, die Gasse zu durchrasen, ohne einen der Polizeiwagen zu berühren. Der an die Leitplanke ausgewichen war, hatte sein Tempo verlangsamt und schaffte es jetzt, auf den Rädern zu bleiben, wahrend er abprallend hinter den anderen Wagen Schlangenlinien beschrieb, bis er endlich zum Stehen kam.
Schlangenlinien beschrieb der Ferrari jetzt auch. Für seinen Fahrer war die Konzentrationsübung doch wohl etwas zuviel gewesen, die ihm mehr abverlangt hatte als einen Hängerzug nachmittags um fünf Uhr rückwärts und unfallfrei durch ganz Rom zu rangieren. Immer größer wurden seine Bögen, als er auf der Autobahn tanzte, und dann waren seine Rücklichter plötzlich verschwunden.
Die beiden noch fahrenden Polizei-Lancias bremsten ab und erreichten die Stelle, wo die rechte Leitplanke glatt durchschlagen worden war, als der Ferrari sie im spitzen Winkel traf. Er mußte die leichte Böschung hinuntergerauscht sein. Die Beamten wollten keine Geländefahrt riskieren, wußten sie doch, daß auch der Ferrari auf dem unebenen Acker nur noch ein paar Meter weit kam, wenn er sich nicht ohnehin schon ein paarmal überschlagen
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