0396 - Leonardos Zauberbuch
abzurasieren und sah im Geiste schon Zierleisten fliegen. Aber er schaffte es.
Er war durch.
Da packte ihn die nächste Idee.
Totaler Bluff! Totales Risiko!
Weit ließen sie ihn nicht mehr kommen. Hier hatte er das Glück gehabt, auf Menschen zu treffen, denen ihr Leben noch lieb war. Beim nächsten Versuch würde er in eine massive Straßensperre rasen. Darin saß dann kein Mensch, der im letzten Moment Platz machte. Die Flucht über die Autobahn hatte keinen Sinn mehr. Hier würden sie ihn packen. Spätestens in einer halben Stunde hatten sie ihn, und dann war alles umsonst.
Gambino riskierte jetzt alles.
Er ließ den rasenden Ferrari aufschaukeln, als habe er die Kontrolle verloren. Und er fieberte und hoffte, daß sein Schutzzauber wirksam blieb.
Dann jagte er den Wagen schräg in die Leitplanke.
Die brach weg, wie er es berechnet hatte. Nicht berechnet hatte er, daß er hochgeschleudert wurde. Der Wagen drehte eine Pirouette in der Luft und kam auf der Seite im Gelände auf. Er fuhr Schlitten. Der Hosenträger-Sicherheitsgurt hielt Gambino fest wie in einem Rennwagen. Durchgeschüttelt wurde er trotzdem. Fast hätte er sich das Genick gebrochen. Etwas schlug gegen sein linkes Bein, als die Sicherheitszelle des Wagens sich verformte.
Dann kam der Wagen auf dem Dach zum Stillstand.
Sekundenlang lauschte der Amokfahrer. Nichts knisterte und prasselte… Da klinkte er sich aus dem Gurtsystem und stürzte auf das Wagendach herunter. Er kletterte durch das Frontfenster ins Freie; die Scheibe war längst herausgeflogen und irgendwo zersplittert. Er angelte nach dem schweren Buch und zerrte es ins Freie, dann hastete er davon.
Oben an der Autobahn, rund drei Meter über ihm, aber mehr als zwei Dutzend Meter von der Ferrari-Flug- und Rutsch-Strecke entfernt, stoppten die Polizeiwagen. Gambino rief eine Zauberformel.
Es traf ihn wie ein heftiger Schlag, der ihm fast die Besinnung raubte, als der- Zauber wirksam wurde und ihm dadurch Kraft entzog. Aber im nächsten Moment explodierte der Wagen. Das Benzin aus dem zerplatzenden Tank breitete sich im Wagen aus, der angehoben wurde, und binnen Sekunden stand das gesamte auseinanderberstende Fahrzeug in hellsten Flammen.
Gambino ließ das Buch fallen. Er konnte es nicht mehr halten. Er schleppte sich mühsam hinkend weg, bis er sich in Sicherheit vor den Blicken der Polizisten glaubte. Dort wartete er, dicht auf den Boden gepreßt, ab.
Er mußte eingeschlafen sein, denn als er heftig zusammenzuckte und die Augen wieder aufriß, war von den Beamten nichts mehr zu sehen. Die Polizeiwagen waren fort. Auch das Feuer im Ferrari-Wrack war nicht mehr so lodernd wie anfangs. Der Wagen verglühte.
Gambino kam auf die Knie. Er taumelte. Die Augen wollten ihm zufallen, und er war kraftlos. Er brauchte fast eine Minute, bis er aufrecht stand.
Er hatte einen Unfall überlebt, der normalerweise tödlich hätte verlaufen müssen! Euphorie kam in ihm auf, gab ihm vorübergehend neue Kraft. Er hatte es geschafft! Wahrscheinlich hielten die Verfolger ihn jetzt für tot, verbrannt in dieser höllischen Glut. Mit etwas Glück hatte er jetzt die Chance, zu entkommen.
Zu Fuß, und so schwach, als habe er ein halbes Jahr lang todkrank im Bett gelegen…
Er bückte sich und hob das Buch auf. Er wuchtete es sich hochkant auf die Schulter. So ließ es sich noch am besten tragen. Schritt für Schritt bewegte er sich auf dem Feld neben der Autobahn her. Zäh hielt er sich aufrecht, obgleich er dem Zusammenbruch nahe war.
Es mochte eine halbe Stunde vergangen sein, als er endlich wieder die Böschung emporkletterte. Er stellte sich am Autobahnrand auf und winkte, als er die Lichter eines Fahrzeuges sah.
Ein Lastwagen näherte sich.
Der Fahrer nahm Gambino und das Buch mit.
»Ich hatte einen Unfall«, erklärte Gambino müde. »Wohin fahren Sie? Bis Padua…? Na herrlich…«
Und er war eingeschlafen, als der Lkw-Fahrer wieder startete.
Im Fußraum von Gambino lag das Buch; der rechte Fuß stand auf dem Einband und hielt ihn fest.
***
Terzotti war mit dem Ergebnis alles andere als zufrieden. In Gambinos Wohnung hatte sich kein Anhaltspunkt dafür gefunden, daß der ehemalige zweite Mann der Sekte und jetzige Verräter mit einer anderen Gruppe zusammenarbeitete. Wenn er mit seinem Diebstahl des Buches nicht doch ein Einzelgänger war, hatte er sich perfekt abgesichert. Aber das Erscheinen der Frau deutete doch auf Helfer hin.
Auch die Meldung, daß sein Wagen auf der Autobahn
Weitere Kostenlose Bücher