0396 - Mord-Marionetten
einer etwas anderen Kurve zurück, sodass ich Mühe hatte, ihn aufzufangen. Ich behielt ihn in der Hand und schaute zu, wie auch Mr. Doll, der Puppenspieler, seine Existenz verlor.
Mit einem hässlichen Knirschen fing es an. Nicht die Knochen oder Knöchel der Hände brachen, es war die Stange, die von ihnen gehalten wurde und an der die Marionetten hingen.
Sie läutete symbolisch das Ende ein, denn nun vergingen auch die Hände. Diesmal knackten die Knochen tatsächlich, sodass die Reste stückweise nach unten fielen.
Sie landeten zwischen den Marionetten und den beiden großen Holzteilen der Stange. Ein Künstler hätte es nicht besser drapieren können.
Zuletzt hatte ich es doch noch geschafft und war mit einigermaßen leichten Blessuren davongekommen. Auch die Armwunde blutete nicht mehr. Nur der Schmerz zuckte noch durch das Gelenk.
Obwohl ich dem Ausgang entgegenschritt, sprach mich keiner der dort Wartenden an. Jeder musste wohl meinem Gesicht angesehen haben, dass ich in Ruhe gelassen werden wollte, denn ich ging zu der Frau, mit der alles begonnen hatte.
Moira Cargal!
Eine exotische Schönheit, die Männern hätte den Kopf verdrehen und Karriere machen können.
Sie hatte sich für die andere Seite entschieden und schrecklich bezahlen müssen.
In ihrem Körper steckte kein Leben mehr. Gebrochen war ihr Blick. Durch das rechte starre Auge lief noch ein dünner Blutfaden, der seinen Weg von der Stirn her gefunden hatte.
»Ich hoffe, dass dir ein anderer verzeiht«, murmelte ich und verließ das Zelt.
Draußen fielen erste Regentropfen auf die Erde und auch gegen mein erhitztes Gesicht. Es machte mir nichts aus, dass ich nass wurde. Irgendwann spürte ich Sukos Hand auf meiner Schulter.
»Alles in Ordnung, John?«
»In Ordnung?« Ich lachte bitter. »Bei uns ist doch immer alles okay – oder etwa nicht?«
»Manchmal, John, manchmal…«
***
»Sieh mal an!«, begrüßte mich der Doc des Krankenhauses, aus dem ich vor kurzem erst entlassen worden war. »Sie wollten mich doch nicht mehr wiedersehen.«
»Nicht als Patient«, erklärte ich.
»Und weshalb sind Sie dann hergekommen?«
Suko, der neben mir stand, sagte: »Liegt bei Ihnen nicht ein gewisser Sir James Powell?«
Der Doc verdrehte die Augen. »Zu dem wollen Sie hin?«
»Ja, das schwebte uns vor.«
»O Gott.«
»Wieso? Was ist?«, fragte ich.
»Ich habe schon viele schwierige Patienten gehabt. Aber so einer wie der ist mir noch nie untergekommen. Der macht ja alle verrückt.«
»Weshalb?«
»Er will wieder raus!«
Ich musste mir ein Grinsen verbeißen. So konnte ich ihn mir vorstellen. Sir James im Krankenhaus, das war ein Chaos total. Wir wagten es trotzdem und gingen zu ihm.
Keinen hörten wir, nur den Alten. Er schimpfte mit einer Schwester, die ein Gespräch nicht durchgestellt hatte. »Wenn ich mit meinen Mitarbeitern reden will, dann haben Sie mir das nicht zu verbieten!«
Wir traten ein. Die Schwester stand leichenblass am Bett. Sir James war unter den Pflastern und Verbänden kaum zu erkennen, aber seinen Mund konnte er frei bewegen.
»Sir, Sie brauchen nicht anzurufen, wir sind schon da!«, sagte ich.
»Gut, kommen Sie rein. Und Sie gehen raus, Schwester. Das wird ein Dienstzimmer. Also, wie machen wir es?«
Wie abgesprochen, zogen Suko und ich uns wieder zurück. »Gute Besserung, Sir!«, riefen wir im Duett und schlossen sacht die Tür.
»Aber ihr könnt mich doch nicht hier einfach…«
Er regte sich noch weiter auf. Die Krankenschwester, die ebenfalls im Flur stand, schüttelte den Kopf. Sie fragte uns mit verzweifelt klingender Stimme: »Was mache ich bloß mit dem?«
»Lassen Sie ihn toben, Mädchen«, erwiderte ich. »Lassen Sie ihn nur toben.«
»Und weshalb?«
»Ist doch klar«, fügte Suko todernst hinzu. »Im Büro haben wir dann unsere Ruhe…«
ENDE
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