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04 - Die Tote im Klosterbrunnen

04 - Die Tote im Klosterbrunnen

Titel: 04 - Die Tote im Klosterbrunnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Tremayne
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zumindest schloß sie das aus der Art, wie die Flachsstränge ausgefranst waren, und aus der Stärke des Schiffstaues.
    »Was ist mit dem anderen Vertäuungsseil?« fragte sie Odar.
    »Sieht es genauso aus wie dieses?«
    »Ja, aber schaut es Euch selbst an, Schwester«, antwortete der Seemann.
    Fidelma dankte ihm, daß er sie darauf aufmerksam gemacht hatte, und ging nach hinten, um sich auf die Heckreling zu setzen. Niedergeschlagen starrte sie in die Ferne. Ross, der neben ihr stand, musterte sie verwundert. Er wußte, wann es besser war zu schweigen.
    Schließlich stieß Fidelma einen Seufzer aus.
    »Laßt uns zusammenfassen, was wir wissen«, begann sie.
    »Was nicht sehr viel ist«, warf Ross ein.
    »Trotzdem … erstens, wir wissen, daß dies ein Handelsschiff aus Gallien ist.«
    Ross nickte entschieden.
    »Richtig. Das ist ungefähr das einzige, was wir mit Sicherheit sagen können. Ich kann beschwören, daß seine Bauweise der Technik der Schiffsbauer von Morbihan entspricht.«
    »Was folglich vermuten läßt, daß es von dort ausgelaufen ist?«
    »Wieder richtig«, stimmte Ross zu. »Schiffe wie dieses transportieren häufig Waren an unsere Küste.«
    »Sie bringen meistens Wein und tauschen ihn bei uns gegen andere Güter?«
    »So ist es.«
    »Die Tatsache, daß keine Ladung an Bord war, könnte nahelegen, daß dieses Schiff seine Ladung bereits in einem irischen Hafen gelöscht hatte?«
    Ross rieb sich das Kinn.
    »Vielleicht.«
    »Euer ›vielleicht‹ in Ehren. Nichtsdestotrotz, falls die Ladung umgeladen wurde – und wir gehen davon aus, daß das auf See geschah –, dann muß das bei Weinfässern ein schwieriges Unterfangen gewesen sein. Wäre es nicht eine plausiblere Annahme, daß die Fässer bereits in einem irischen Hafen abgeliefert wurden und das Schiff sich auf dem Rückweg nach Gallien befand, entweder ohne Ladung oder mit Waren, die auf See leichter umzuladen wären?«
    »In Eurer Vermutung liegt eine gewisse Logik«, gab Ross zu.
    »Dann machen wir, glaube ich, Fortschritte«, erklärte Fidelma triumphierend. »Nun laßt uns überlegen, was wir sonst noch wissen. Es gibt Blut auf diesem Schiff, Blut unter Deck und frischeres Blut auf einem Leinenfetzen, der sich in der Takelage verfangen hatte, und auf dem Geländer unterhalb der Takelage. Das dort verschmierte Blut ist zwar getrocknet, aber noch nicht alt, und wurde wahrscheinlich in den letzten zwölf bis vierundzwanzig Stunden vergossen. Das Blut könnte von einem Mitglied der Besatzung stammen oder …«, sie hielt inne und versuchte, nicht an Eadulf zu denken, »oder von einem Passagier.«
    »Warum nicht von einem der Plünderer?« wollte Ross wissen. »Von einem von denen, die die Ladung oder die Besatzung mitnahmen?«
    Fidelma dachte über diesen Einwand nach und räumte auch diese Möglichkeit ein.
    »Schon denkbar. Aber wer kann mit Sicherheit behaupten, daß es überhaupt Plünderer gab? Vielleicht hat die Besatzung selbst die Ladung mitgenommen und das Schiff verlassen?«
    Sie hob die Hand, als Ross etwas entgegnen wollte. »Schon gut. Das Wichtigste ist, daß das Blut allem Anschein nach in der Zeit vergossen wurde, als die Besatzung verschwand: als das, was ihr zustieß – was immer es war –, gerade geschah.«
    Ross wartete, während sie die Ereignisse noch einmal Revue passieren ließ.
    »Die Vertäuung des Schiffes wurde vorn und achtern durchtrennt, wahrscheinlich mit einer Axt. Das bedeutet, daß es irgendwo festgemacht haben muß und nicht einfach in einem Hafen vor Anker lag, denn der Anker ist noch an seinem Platz, nur die Verankerungstaue sind abgeschnitten. Warum? Warum die Taue nicht einfach lösen? Hatte jemand an Bord es so eilig, von irgendwo wegzukommen? Oder wurde das Schiff an einem anderen Schiff vertäut und dann losgemacht?«
    Ross blickte Fidelma voll Bewunderung an, während sie die verschiedenen Möglichkeiten hervorsprudelte.
    »Wie lange war es schon in Sichtweite, als wir an Bord gingen?« fragte sie plötzlich.
    »Ich bemerkte es etwa eine halbe Stunde, bevor Odar mich darauf aufmerksam machte. Wir brauchten eine weitere halbe Stunde, um es einzuholen.«
    »Das bedeutet, daß sich das Schiff möglicherweise in Küstennähe befand, als sich die geheimnisvollen Ereignisse zutrugen. Stimmt Ihr mir zu?«
    »Warum das?«
    »Das Schiff muß innerhalb der letzten zwölf bis vierundzwanzig Stunden, bevor wir es entdeckten, überfallen worden sein.« Plötzlich richtete sie sich auf. »Ihr kennt diese Küste

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