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04 - Die Tote im Klosterbrunnen

04 - Die Tote im Klosterbrunnen

Titel: 04 - Die Tote im Klosterbrunnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Tremayne
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aufgeplatzt und hatte, als sie noch lebte, geblutet.
    Fidelma atmete tief ein, bereute es jedoch sofort, denn durch den Verwesungsgestank mußte sie würgen und husten. Sie tastete nach ihrem Lavendeltuch.
    »Habt Ihr genug gesehen?« fragte die Äbtissin mit eisiger Stimme.
    Fidelma nickte zwischen ihren Hustenanfällen.
    Gemeinsam drehten sie die Leiche in ihre Ausgangslage zurück.
    »Ich nehme an, jetzt wünscht Ihr die Gegenstände zu sehen, die bei der Leiche gefunden wurden?« fragte die Äbtissin, während sie in den großen Vorratsraum vorausging.
    »Was ich zuerst wünsche, Mutter Oberin«, erwiderte Fidelma bedächtig, »ist, mich zu waschen.«
    Äbtissin Draigen verzog den Mund zu einem fast boshaften Grinsen.
    »Selbstverständlich. Folgt mir hier entlang. Unser Gästehaus verfügt über eine Badewanne, und um diese Zeit nehmen die Schwestern normalerweise ihr Bad, so daß das Wasser gerade heiß sein dürfte.«
    Man hatte Fidelma das tech-óired , das Gästehaus der Abtei, wo sie während ihres Aufenthaltes in der Gemeinschaft wohnen würde, bereits gezeigt. Es war ein langgestrecktes, niedriges Holzhaus, aufgeteilt in ein halbes Dutzend Kammern, mit einem Badezimmer in der Mitte. In einem bronzenen Behälter wurde das Wasser über einem Holzfeuer erhitzt und anschließend in eine hölzerne dabach oder Badewanne geschüttet.
    Die Mitglieder der Gemeinschaft hatten sich offenbar der in Irland weitverbreiteten Mode angeschlossen, allabendlich nach der Abendmahlzeit ein Vollbad zu nehmen, das fothrucud , und sich am Morgen als erstes Gesicht, Hände und Füße zu waschen, eine Reinigungszeremonie, die man indlut nannte. Das tägliche Baden war für die Bewohner der fünf Königreiche mehr als nur eine Sitte, es hatte sich immer mehr zu einem religiösen Ritual entwickelt. Jede irische Herberge verfügte über ein Badehaus.
    Die Äbtissin verabschiedete Fidelma am Eingang zum Gästehaus und vereinbarte, sie eine Stunde später in ihren Gemächern zu treffen. Zur Zeit wohnte sonst niemand im tech-óired , so daß Fidelma das ganze Haus für sich hatte. Sie wollte gerade in ihre Kammer eintreten, als sie Geräusche aus dem Badezimmer hörte.
    Mit gerunzelter Stirn ging sie den düsteren Korridor hinunter und öffnete die Tür.
    Eine Schwester in mittleren Jahren schürte das Feuer unter dem bronzenen Kessel, in dem das Wasser schon dampfte, und richtete sich nun auf. Bei Fidelmas Erscheinen senkte sie hastig den Blick, faltete die Hände unter ihrem Gewand und neigte unterwürfig den Kopf.
    »Bene vobis« , grüßte sie leise.
    Fidelma betrat den Raum.
    »Dens vobiscum« , erwiderte sie auf die lateinische Begrüßungsformel.
    »Ich wußte nicht, daß es hier noch andere Gäste gibt.«
    »Oh, die gibt es auch nicht. Ich bin die doirseór der Abtei, aber ich kümmere mich auch um das Gästehaus. Ich habe Euer Bad vorbereitet.«
    Fidelmas Augen weiteten sich kaum merklich.
    »Das ist sehr freundlich von Euch, Schwester.«
    »Es ist meine Pflicht«, erwiderte die Ältere, ohne aufzublicken.
    Fidelma ließ ihren prüfenden Blick durch das peinlich saubere Badezimmer schweifen. Die hölzerne Wanne stand bereit und war schon fast mit heißem Wasser gefüllt, und das Holzfeuer verbreitete wohlige Wärme im Raum. Die Luft war durchtränkt vom Duft frischer Kräuter. Ein Lappen aus Leinen war bereitgelegt, ebenso ein Stück sléic , parfümierte Seife. Daneben lagen ein Spiegel und ein Kamm sowie Tücher zum Abtrocknen. Alles wirkte gepflegt und ordentlich. Fidelma lächelte.
    »Ihr erfüllt Eure Pflicht vorbildlich, Schwester. Wie ist Euer Name?«
    »Ich bin Schwester Brónach«, entgegnete die andere.
    »Brónach? Dann seid Ihr eine der beiden Schwestern, die den Leichnam gefunden haben.«
    Die Augen der Nonne mieden Fidelmas Blick.
    »Das stimmt, Schwester. Ich und Schwester Síomha fanden die Leiche.« Sie beugte rasch die Knie.
    »Dann kann ich etwas Zeit sparen, Schwester, wenn Ihr mir darüber berichtet, während ich bade.«
    »Während Ihr badet?« wiederholte sie mit mißbilligendem Unterton.
    Fidelma wurde neugierig.
    »Habt Ihr etwas dagegen?«
    »Ich …? Nein.«
    Die Frau drehte sich um, hob mit erstaunlicher Kraft den bronzenen Kessel vom Feuer und goß das heiße Wasser in die halbvolle, dampfende Holzwanne.
    »Euer Bad ist jetzt fertig, Schwester.«
    »Sehr gut. Ich habe saubere Kleidung dabei und meinen cíorbholg. « Der cíorbholg war, wörtlich genommen, ein Kamm-Beutel, für irische Frauen ganz

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