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04 - Die Tote im Klosterbrunnen

04 - Die Tote im Klosterbrunnen

Titel: 04 - Die Tote im Klosterbrunnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Tremayne
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mit ihrer Persönlichkeit zu tun.«
    Fidelma mußte lächeln. Schwester Síomha war nicht dumm und hatte Draigen zweifellos einen lückenlosen Bericht erstattet.
    »Sie gab mir einige Antworten, mit denen ich nicht zufrieden war«, räumte sie ein. »Und da wir gerade darüber sprechen - ich würde Euch ebenfalls gerne ein paar Fragen stellen.«
    Äbtissin Draigens Lippen wurden schmal.
    »Ich bin noch nicht fertig mit den Beschwerden von Schwester Síomha.«
    »Wir kommen gleich darauf zurück«, versicherte ihr Fidelma mit einer abweisenden Handbewegung. »Wie lange seid Ihr hier schon Äbtissin?«
    Angesichts dieser unvermittelten Wende des Gespräches zuckte die Äbtissin verblüfft zusammen und musterte Fidelma eingehend. Als sie deren ruhige Entschlossenheit sah, lehnte sie sich in ihrem Sessel zurück.
    »Ich bin seit sechs Jahren Äbtissin dieser Gemeinschaft. Davor war auch ich hier rechtaire. «
    »Wie lange?«
    »Vier Jahre.«
    »Und davor?«
    »Lebte ich schon über zehn Jahre in dieser Abtei.«
    »Also seid Ihr hier insgesamt seit zwanzig Jahren? Stammt Ihr aus diesem Teil Irlands?«
    »Ich verstehe nicht, was das mit der Angelegenheit zu tun hat, die Ihr untersucht?«
    »Es geht lediglich darum, etwas über Euren Hintergrund zu erfahren«, redete ihr Fidelma begütigend zu. »Stammt Ihr aus dieser Gegend?«
    »Ja. Mein Vater war ein óc-aire , ein freier Hofbauer und Mitglied eines Stammes hier in der Nähe; er besaß zwar eigenes Land, doch warf es kaum genug ab, um davon leben zu können.«
    »Also tratet Ihr in diese Gemeinschaft ein?«
    Äbtissin Draigens Augen funkelten vor Zorn.
    »Ich war nicht dazu gezwungen, falls Ihr das andeuten wollt! Ich konnte frei entscheiden, was ich mit meinem Leben anfangen wollte.«
    »Ich habe nichts derartiges behauptet.«
    »Mein Vater war ein stolzer Mann. Man nannte ihn Adnár Mhór – Adnár den Großen.«
    Äbtissin Draigens Mund klappte zu, als sei ihr gerade bewußt geworden, daß sie zuviel gesagt hatte.
    »Adnár?« Fidelma rutschte auf ihrem Stuhl nach vorn und musterte Draigen prüfend. Jetzt begriff sie, was ihr in den Gesichtern der Äbtissin und ihres Nachbarn, des bó-aire , von Anfang an aufgefallen war.
    »Adnár von Dún Boí ist Euer Bruder?«
    Äbtissin Draigen stritt das nicht ab.
    »Ihr versteht Euch nicht gerade gut mit ihm.«
    Es war nur eine Feststellung, doch Äbtissin Draigen versuchte nicht, ihren Abscheu zu verbergen.
    »Mein Bruder Adnár wird seinem Namen in keiner Hinsicht gerecht«, stieß sie zwischen zusammengepreßten Lippen hervor.
    Fidelma lächelte verständnisvoll. Der Name Adnár bedeutete »der Bescheidene«.
    »Da Ihr so auf die Bedeutung von Namen achtet, nehme ich an, Ihr wart die Stütze Eurer Familie?«
    Draigens Mund verzog sich zu einem schiefen Lächeln. Ihr Name bedeutete »Schwarzdorn«, und sie mußte zugeben, daß Fidelma ihr, wenn es um Wortspiele ging, eine ebenbürtige Gegnerin war.
    »Mein Bruder Adnár ließ meinen Vater genau in dem Moment im Stich, als er dringend Hilfe bei der Landarbeit brauchte. Meine Mutter war gestorben, und meinen Vater hatten die Kräfte verlassen … und auch der Wille, den Kampf gegen den kargen Boden weiterzuführen und sich davon zu ernähren. Adnár ging fort, um dem Häuptling von Beara zu dienen – Gulban, dem Falkenauge, der gegen die Stämme im Norden kämpfte. Als er zurückkam und einen beachtlichen Viehbestand mitbrachte – die Belohnung für seine Dienste –, war mein Vater bereits tot. Ich war inzwischen in diese Gemeinschaft eingetreten, das Land meines Vaters war verkauft und der Erlös der Abtei gestiftet worden. Deshalb wurde mein Bruder bó-aire – ein Vieh-Häuptling, ein Häuptling ohne Land, doch mit einem gewissen Wohlstand, den er durch seine Dienste für Gulban zu mehren weiß.«
    Draigens Erregung verriet, daß sie diese Geschichte noch nie erzählt hatte und daß Fidelma ihr zum ersten Mal die Gelegenheit bot, der Wut über ihren Bruder freien Lauf zu lassen.
    »Ich kann in Euerm Bericht keinen Grund erkennen, warum Ihr und Adnár Euch so unerbittlich hassen solltet, es sei denn, es hätte Streit über den Verkauf des väterlichen Landes gegeben?«
    Draigen leugnete ihre feindseligen Gefühle gegenüber ihrem Bruder nicht.
    »Hassen? Haß ist vielleicht ein zu krasses Wort. Ich verachte Adnár. Mein Vater und meine Mutter hätten auf ihrem Grund und Boden zusammen alt werden und erleben sollen, wie ihr Sohn sie für seine Gesundheit und die

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