04_Es ist was Faul
auch ein paar Tage dableiben
dürfe.
»Aber natürlich! Das Gästezimmer hat Lady Hamilton, und
der nette Mr Bismarck wohnt auf dem Dachboden, aber die
Abstellkammer kann er gern haben.«
Mein Vater war Zeitreisender, und deshalb wohnten oft historische Persönlichkeiten bei meiner Mutter. Vor allem, wenn
Daddy mal wieder eine Zeitfalte ausbügeln musste. Emma
Hamilton war seit zwei Jahren bei uns, weil mein Vater gerade
versuchte, den Tod von Lord Nelson bei Trafalgar aus der
Geschichte streichen zu lassen. Diese Hausgäste waren nicht so
leise wie Untermieter und zahlten meist auch nicht viel, aber sie
waren viel interessanter. Meine Mutter ergriff Hamlets Hand
und schüttelte sie herzlich.
»Wie geht's, Mr Hamlet? Wovon sind Sie noch mal der
Prinz?«
»Dänemark.«
»Ah! Keinen Damenbesuch über Nacht, Frühstück gibt es bis
neun Uhr morgens. Ich erwarte, dass die Gäste die Betten selbst
machen, aber Ihre Hemden können Sie in den Wäschekorb
neben der Treppe tun. Freut mich, Sie kennen zu lernen. Ich bin
Mrs Next, die Mutter von Thursday.«
»Auch ich hatte einst eine Mutter«, sagte Hamlet düster,
während er meiner Mum vollendet die Hand küsste. »Sie schläft
im Bett meines Onkels.«
»Na, dann sollten sie zu IKEA gehen«, erwiderte meine praktische Mutter. »Ich hab gehört, da sind Betten sehr preiswert.
Ich geh zwar nicht hin, weil ich keine Lust habe, alles selbst
zusammenzubauen, aber die Männer finden es sehr attraktiv.
Mögen Sie Battenberg?«
»Wittenberg?«
»Nein. Battenberg!«
»Liegt das an der Elbe?«, fragte Hamlet, der Mutters Gedankensprüngen von schwedischen Möbeln zu englischem Kuchen
nicht zu folgen vermochte.
»Nein, mein Bester. Battenberg liegt auf der Kuchenplatte.
Mit Marzipan und Himbeermarmelade.«
Hamlet wandte sich zu mir um. »Ist das noch Wahnsinn?
Oder hat es schon Methode?«
»Sie werden sich schon dran gewöhnen«, sagte ich und tätschelte aufmunternd seinen Arm.
Wir gingen gemeinsam ins Wohnzimmer und konnten uns,
nachdem wir Fridays Finger aus Mutters Kette gefitzt hatten,
alle gemütlich hinsetzen.
»Also, was gibt es Neues?«, rief meine Mutter, während ich
meine Augen durch den Raum schweifen ließ und ihn auf
etwaige Gefahrenstellen für Zweijährige überprüfte.
»Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll«, sagte ich und
nahm die Blumenvase vom Fernseher, ehe mein Sohn sie über
sich auskippen konnte. »Es gab vor meiner Abreise so viel zu
tun. Vor zwei Tagen gab es in Camelot einen Ehekrach, und in
der Woche zuvor – Liebling, das darfst du nicht anfassen – hab
ich Tarifverhandlungen mit den sieben Zwergen und den
Heinzelmännchen geführt.«
»Du meine Güte«, rief meine Mutter. »Dann brauchst du sicher eine Tasse Tee!«
»Ja, bitte!« Die BuchWelt wimmelte zwar von exzentrischen
Charakteren und spannenden Storys, aber eine anständige
Tasse Tee war praktisch nirgends zu kriegen.
»Ich setz den Kessel auf!«, sagte Joffy. »Komm mit, Hamlet!
Hast du eigentlich eine Freundin?«
»Ja, aber die ist verrückt.«
»Im guten Sinne oder im schlechten?«
»Eigentlich weder noch. Aber ihr Bruder – Schlund der Hölle! – das ist ein Hitzkopf …!«
Die Unterhaltung der beiden Männer wurde leiser und
schließlich fast gänzlich unhörbar, als sie in der Küche verschwanden.
»Vergesst den Battenberg nicht!«, rief meine Mutter.
Ich machte meinen Koffer auf und holte ein paar klapprige
Spielsachen heraus, die mir Mrs Bradshaw mitgegeben hatte.
Melanie Bradshaw hatte sich reizend um Friday gekümmert. Sie
und der Commander hatten nämlich keine eigenen Kinder, was
vielleicht damit zusammenhing, dass Melanie zur Gattung der
Berggorillas gehörte. Die Vorteile waren ganz offensichtlich, so
aß Friday zum Beispiel immer brav Obst und Gemüse, aber ich
hatte den Verdacht, dass sie heimlich auf den Möbeln herumkletterten, wenn ich nicht da war, und einmal habe ich Friday
dabei erwischt, wie er eine Banane mit den Füßen zu schälen
versuchte.
»Wie geht's denn dir immer so?«, fragte ich.
»Na, jetzt, wo du da bist, geht es mir glänzend. Es ist ein bisschen einsam, seit Mycroft und Polly nicht mehr hier wohnen.
Ich habe gehört, er hätte eine schöne Rede auf dem 14. Kongress verrückter Wissenschaftler gehalten. Aber wenn Joffy und
sein Partner Miles nicht täglich vorbeikämen, Bismarck und
Emma nicht wären und meine Nachbarin Mrs Beatty, wäre es
echt ziemlich einsam. Natürlich habe
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