04_Es ist was Faul
beliebt.«
»Mein … verstorbener Lebenspartner hat Kopenhagen im
Jahre 1801 ziemlich gnadenlos bombardiert. Er sagt, die Dänen
hätten sich tapfer gewehrt.«
»Wir Dänen haben nichts gegen eine kleine Rauferei, Lady
Hamilton«, sagte der Prinz nicht ohne Charme. »Ich bin allerdings nicht aus Kopenhagen, sondern aus Helsingör. Das liegt
ein Stück weiter oben am Meer. Wir haben ein kleines Schloss
da. Ungefähr sechzig Räume und eine Garnison von zweihundert Mann. Ein bisschen öde im Winter.«
»Gespenster?«
»Zumindest einen Geist kenne ich. Was hat Ihr verstorbener
Lebenspartner denn sonst so gemacht? Ich meine, wenn er
nicht gerade die Dänen beschossen hat?«
»Ach, nicht viel«, sagte sie beiläufig. »Er hat sich mit den
Franzosen und Spaniern herumgeschlagen und Körperteile
über halb Europa verteilt. Das war damals so Mode.«
Es entstand eine Pause, in der sie sich gierig ansahen. Emma
fächelte sich frische Luft zu. »Herrje!«, sagte sie. »Beim Thema
Körperteile wird mir richtig heiß!«
»Jetzt reicht's!«, rief meine Mutter empört und sprang auf.
»Ich dulde in meinem Haus keine schlüpfrigen Reden!«
Hamlet und Emma starrten sie verblüfft an. Ich zog sie beiseite und sagte leise: »Mum, reg dich doch nicht auf! Sie sind
schließlich beide erwachsen und unverheiratet. Ganz abgesehen
davon könnte Hamlets Interesse Emma vielleicht von jemand
anderem ablenken.«
»Jemand … anderem?« Man hörte förmlich, wie die Rädchen
in Mutters Kopf ratterten. Nach einer langen Pause holte sie
plötzlich tief Luft, drehte sich zu ihren Hausgästen um und
erklärte strahlend: »Meine Lieben, wollt ihr nicht im Garten
spazieren gehen? Es weht ein kühlendes Lüftchen, und die
Hollywoodschaukel ist sehr gemütlich.«
»Sollte man nicht auch etwas trinken?«, fragte Emma Hamilton hoffnungsvoll.
»Vielleicht«, sagte meine Mutter vorsichtig. Sie hatte offenbar nicht die Absicht, Lady Hamilton an den Sherry zu lassen.
Emma gab keine Antwort. Sie bot Prinz Hamlet nur ihren
Arm an, der ihn höflich ergriff und sie eben durch die Terrassentür führen wollte, als sie ihn zurückhielt. »Lassen Sie uns
durch die Küche gehen, mein Lieber. Diese französischen Türen
mag ich nicht besonders.«
»Hab ich's nicht gesagt, sie ist ein reizendes Mädchen«, erklärte meine Mutter befriedigt. »Magst du ein Stückchen Kuchen?«
»Ja, bitte.« Ich fand es sehr angemessen, dass meine Mutter
den Lieblingskuchen der früh verwitweten Queen Victoria
gebacken hatte.
»Bedien dich selbst«, sagte meine Mutter und gab mir das
Messer.
»Sag mal«, fragte ich vorsichtig, während ich den Battenberg
anschnitt, »ist vielleicht Landen wiedergekommen?«
»Das ist dein genichteter Gatte, nicht wahr?«, sagte sie
freundlich. »Nein, ich fürchte, der hat sich nicht blicken lassen.«
Sie lächelte mich ermutigend an. »Du solltest am Treffen der
Anonymen Angehörigen der NichtungsOpfer teilnehmen«,
sagte sie. »Wir treffen uns morgen Abend.«
Genau wie meine Mutter hatte auch ich einen Ehemann, der
aus dem Hier und Jetzt gelöscht worden war. Aber im Gegensatz zu meiner Mutter, deren Ehemann ab und zu aus dem
Zeitstrom auftauchte und zu ihr zurückkehrte, hatte ich einen
Ehemann, der nur in meinen Erinnerungen und Träumen
präsent war. Außer mir konnte sich niemand an Landen erinnern. Meine Mutter wusste nur von ihm, weil ich ihr von ihm
erzählt hatte. Nach Ansicht aller anderen Leute litt ich unter
Wahnvorstellungen. Das galt auch für Landens Eltern, die der
Ansicht waren, ihr Sohn sei im Alter von zwei Jahren ertrunken. Aber Landen war Fridays Vater. Obwohl er nicht existierte,
war Landen der Vater meines Kindes, genauso wie ich und
meine Brüder auf der Welt waren, obwohl unser Vater nicht
existierte und nie gezeugt worden war. Die Zeit steckt voller
Rätsel, und Zeitreisen führen zu nahezu unauflöslichen Paradoxien.
»Ich werde ihn wieder zurückholen«, murmelte ich.
»Wen?«
»Landen.«
Joffy brachte Friday aus dem Garten zurück. Wie alle Kleinkinder konnte mein Söhnchen nicht einsehen, warum Erwachsene ihn nicht den ganzen Tag in der Luft herumschleudern
konnten. Ich gab ihm eine Scheibe Battenberg, die er in seiner
Gier gleich wieder fallen ließ. Der sonst so träge DH-82 kam aus
der Küche geschossen, fraß den Kuchen und sank in weniger als
drei Sekunden auf dem Boden in tiefen Schlaf.
»Lorem ipsum dolor sit amet!«, rief Friday verärgert.
»Ja,
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