04_Es ist was Faul
Tonfall.
Sie hatte ihre Kinder praktisch allein großgezogen und kannte
sich mit solchen Streitigkeiten aus. »Ich dachte, wir wären uns
einig, dass du Dänemark nicht angreifst?«
»Das gilt jetzt nicht mehr«, knurrte der Kanzler und blies
seine Brust so aggressiv auf, dass einer der Uniformknöpfe
absprang und Pickwick am Hinterkopf traf. »Entweder entschuldigt sich Hamlet im Namen des ganzen dänischen Volkes,
oder wir vertilgen Dänemark von der Landkarte!«
»Mr Hamlet hat gerade eine Therapiesitzung bei seinem
Konfliktberater«, beschwichtigte meine Mutter.
»Dann werde ich jetzt die Marschbefehle erteilen«, erklärte
Bismarck. »Weitere Gespräche sind sinnlos. Ich wünsche, sofort
in das Jahr 1863 zurückzukehren.«
In diesem Augenblick ging die Tür auf, und Hamlet trat ein.
Er schien sich irgendwie verändert zu haben.
»Ha!«, sagte er und zog seinen Degen. »Bismarck! Euer dreistes Auftreten wird jetzt beendet! Bereitet euch auf den Tod
vor!«
Die Therapie beim Konfliktberater hatte ihn offenbar sehr
mitgenommen. Aber Bismarck ließ sich durch die plötzliche
Bedrohung seines Lebens nicht sehr beeindrucken. Er zog eine
schwere Pistole und sagte: »Soso! Sie haben also hinter meinem
Rücken den Battenberg aufgegessen?«
Sie hätten sich wohl auf der Stelle abgemurkst, wenn meine
Mutter und ich nicht interveniert hätten.
»Hamlet!«, rief ich. »Wenn Sie Bismarck töten, bringt das
Ihren Vater auch nicht zurück, oder?«
»Otto!«, rief Mutter. »Wenn du Hamlet erschießt, wird das
die Gefühle der Schel-Swingers auch nicht besänftigen, oder?«
Ich zog den Prinzen in den Flur und versuchte ihm zu erklären, dass plötzliche Racheakte keine gute Idee waren.
»Da bin ich ganz anderer Ansicht«, erklärte er und fuchtelte
mit seinem Degen. »Sobald ich nach Hause komme, werde ich
meinen Onkel abstechen, diesen Mörder, dann werde ich
Ophelia heiraten und mir Fortinbras vornehmen. Wahrscheinlich marschiere ich gleich in Norwegen ein. So ein Erstschlag ist
immer das Beste. Und dann geht's nach Schweden und dann
nach – wie heißt das Ding hinter Schweden?«
»Finnland?«
»Ja, genau.«
Er stemmte die linke Hand in die Hüfte und stieß mit seinem
Degen nach einem unsichtbaren Aggressor. Ausgerechnet in
diesem Augenblick kam Pickwick auf den Flur gestolpert, und
die scharfe Klinge verfehlte sie nur um Millimeter. Sie machte
ein erschrockenes Plock! und fiel rücklings in Ohnmacht.
»Dieser Konfliktberater hat mich auf Zack gebracht, Miss
Next. Das kann ich Ihnen versichern. Mein Problem war offenbar ein unaufgelöster oder latenter Konflikt – der Tod meines
Vaters, der in meinem Inneren schwelte. Um die Probleme zu
lösen, muss man solche Konflikte beseitigen, so oder so!«
Es war noch schlimmer, als ich gedacht hatte.
»Sie werden also nicht mehr so viel reden? Und auch nicht so
tun, als ob Sie wahnsinnig wären?«
»Nein«, lachte Hamlet. »Es gibt keinen Grund mehr zu reden. Und Polonius wird sich auch wundern. Sobald ich seine
Tochter geheiratet habe, wird er gefeuert und irgendwo ins
Archiv gesteckt. Vielleicht kann er Leiter der Bibliothek werden.
Ja, es wird eine Menge Veränderungen in meinem Stück geben,
das kann ich Ihnen flüstern!«
»Was ist denn mit Toleranz, vertrauensvollen Beziehungen
und einer langfristigen friedlichen Zusammenarbeit?«, fragte
ich. »Hat der Konfliktberater darüber gar nicht geredet?«
»Ich glaube, damit wollte er sich in der zweiten Sitzung beschäftigen«, sagte Hamlet. »Aber das ist jetzt egal. Von morgen
an ist Hamlet eine rasante Story: Ein Mann nimmt Rache und
wird zum größten König, den Dänemark je gesehen hat. Nichts
mehr von des Gedankens Blässe! Hamlet wird ein Mann der
Tat! Es ist was faul im Staate Dänemark, und Hamlet sagt: Jetzt
wird aufgeräumt!«
Es war eine Katastrophe. Ich konnte ihn nicht zurückschicken, solange Mrs Tiggy-winkle und Shgakespeafe sein Stück
nicht wieder in Ordnung gebracht hatten, und in diesem Zustand durfte ich ihn auch dann nicht zurückschicken. Nicht
auszudenken, was er dort anrichten konnte! Ich musste mir
etwas einfallen lassen, und zwar ziemlich schnell.
»Ein toller Plan!«, sagte ich. »Aber vorher sollten Sie vielleicht wissen, dass Ihre dänischen Landsleute hier gegenwärtig
in beispielloser Weise gekränkt und gedemütigt werden. Man
hat sogar schon Bücher von Kierkegaard, Mandersen, Blixen
und Farquitt verbrannt.«
Er verstummte und sah
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