04_Es ist was Faul
deine große
Stärke. Ach, übrigens«, sagte meine Mutter beiläufig, »ich soll
dir was geben.« Sie rannte ins Wohnzimmer und kam mit
einem Bündel offizieller Papiere zurück. »Die hat Mr Hicks für
dich abgegeben.«
Braxtons Hicks war mein früherer Chef bei SpecOps in
Swindon. Ich war seinerzeit ziemlich plötzlich verschwunden,
und nach dem Ton seines Begleitschreibens zu urteilen, war er
nicht sonderlich glücklich darüber. Ich war zum »Literarischen
Detektiv« degradiert worden, und Hicks verlangte, dass ich
meine Waffe und meine Dienstmarke zurückgeben sollte. Das
zweite Schreiben war ein Haftbefehl wegen einer völlig übertriebenen Anzeige, die mit dem illegalen Besitz einer kleinen
Menge unverzollten Käses zu tun hatte.
»Ist Käse eigentlich immer noch so überteuert?«, fragte ich
meine Mutter.
»Ganz kriminell!«, murmelte sie. »Über fünfhundert Prozent
Steuern. Und es ist nicht nur der Käse. Inzwischen werden alle
Milchprodukte mit einer Strafsteuer belegt – sogar Joghurt.«
Ich seufzte. Wahrscheinlich würde ich bei SpecOps vorsprechen und mich entschuldigen müssen. Ich würde um Vergebung bitten, mit den Stressperten reden und eine posttraumatische Störung oder Xplkqulkiccasie geltend machen. Vielleicht
würde ich dann meinen alten Job wieder kriegen. Wenn ich
Yorrick Kaine stoppen und meinen Ehemann zurückholen
wollte, musste ich Zugang zur SpecOps-Datenbank haben. Und
dazu musste ich Mitglied von SpecOps sein.
Ich blätterte in den Papieren. Wie es schien, war ich wegen
der Käse-Sache zu einer Geldstrafe von fünftausend Pfund
verurteilt worden, und die Kosten des Gerichtsverfahrens
musste ich auch tragen.
»Hast du das bezahlt?«, fragte ich meine Mutter und zeigte
ihr den Strafbefehl.
»Ja.«
»Dann muss ich dir das wohl zurückgeben.«
»Nicht nötig«, sagte sie, aber ehe ich mich bedanken konnte,
fügte sie noch hinzu: »Ich hab es von deinem Konto bezahlt.
Das ist jetzt ziemlich überzogen.«
»Wie aufmerksam von dir.«
»Nichts zu danken. Willst du Rührei mit Schinken?«
»Ja, bitte.«
»Kommt sofort. Könntest du mal die Milch holen?«
Ich ging zur Haustür, um die Milch zu holen. Als ich mich
bückte, um die Flaschen aufzuheben, hörte man ein zischendknallendes Zing-Fop, und eine Kugel bohrte sich neben meinem
Ohr in den Türrahmen. Ich wollte gerade die Tür zuschlagen
und meine Automatic herausziehen, als sich plötzlich eine
unerklärliche Stille ausbreitete. Über mir hing eine Taube ohne
Flügelschlag in der Luft, ein Motorradfahrer balancierte mitten
auf der Straße, ohne sich zu bewegen, die Passanten standen da
wie Statuen. Sogar Pickwick war mitten im Watscheln erstarrt.
Ich wusste, das konnte nur eines bedeuten: Mein Vater war in
der Nähe. Nur er konnte die Zeit auf diese Art anhalten. Die
Frage war nur: Wo war er?
Ich blickte die Straße hinauf und hinunter. Nichts. Da man
mich gerade erschießen wollte, hielt ich es für eine gute Idee,
nachzusehen, wer mich denn umbringen wollte. Also ging ich
durch unseren Vorgarten, überquerte die Straße und näherte
mich der kleinen Gasse, in der sich de Floss am Vortag so wenig
erfolgreich versteckt hatte.
Und hier fand ich auch meinen Vater: Er stand vor dem
Buddleia-Busch und betrachtete eine zierliche, sehr hübsche
Blondine, die gerade dabei gewesen war, ein Gewehr mit Zielfernrohr auseinander zu nehmen, als sie erstarrte. Sie war Ende
zwanzig und kaum eins fünfundfünfzig groß. Ihr Haar war zu
einem straffen Pferdeschwanz gebunden und wurde von einem
Haarband mit Blumenmuster gehalten. Mit einem gewissen
Amüsement stellte ich fest, dass der Kolben des Gewehrs mit
rosa Kunstfell überzogen war und am Abzugsbügel ein kleiner
Talisman baumelte. Mein Vater sah jünger als ich aus, war aber
trotzdem erkennbar. Das merkwürdige Geschäft der Zeitreisenden war dafür verantwortlich, dass ihre Lebensläufe meist nicht
linear waren. Das Alter meines Vaters war daher jedes Mal
anders, wenn er mir über den Weg lief.
»Hallo, Papa.«
»Du hattest recht«, sagte er und verglich das Gesicht der jungen Frau mit einer Reihe von Fotos. »Sie ist eine Berufskillerin.«
»Reden wir nicht davon!«, sagte ich glücklich. »Wie geht's
dir? Ich hab dich ja seit Jahren nicht mehr gesehen!«
Er drehte sich um und starrte mich an. »Aber, mein liebes
Mädchen! Wir haben doch erst vor ein paar Stunden miteinander gesprochen.«
»Nein, haben wir nicht.«
»Aber
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