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04_Es ist was Faul

04_Es ist was Faul

Titel: 04_Es ist was Faul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Fforde
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die Brust sank.
    »Was für ein Kitsch«, knurrte Bradshaw. »Der echte Westen
    war anders!«
    »Darum geht es doch gar nicht«, sagte ich, während der tote
    Bösewicht weggeschleift wurde. Natürlich gab es im Wilden
    Westen kaum je Schießereien. Mit den Revolvern der damaligen Zeit konnte man kaum etwas treffen, und die Rauchentwicklung des Pulvers war so stark, dass man in einem gut
    besuchten Saloon glatt dran erstickt wäre. Aber Legenden sind
    eben viel lesbarer. Außerdem gibt es immer mehr schlechte
    Prosa als gute, und man konnte auch nicht erwarten, dass sich
    unser gehörnter Freund in einem Zane Grey oder einem Owen
    Wister versteckte.
    Als wir am Majestic Hotel, einer besonders klapprigen Bretterbude, vorbeikamen, rumpelte eine Postkutsche über die
    Hauptstraße. Die Peitsche knallte über den Köpfen der Pferde,
    und die Räder wirbelten Wolken von Staub auf.
    »Da drüben«, sagte Bradshaw und zeigte auf das einzige aus
    Ziegeln gemauerte Gebäude der Stadt. Tatsächlich stand das
    Wort SHERIFF über der Tür. Wir überquerten eilig die Straße,
    denn unsere Bekleidung war uns jetzt doch etwas peinlich.
    Unter all den Männern mit Cowboyhüten, karierten Hemden
    und Patronengurten und den Frauen mit Häubchen, Jäckchen
    und langen Kleidern wirkten wir ziemlich exotisch. Aber Kostüme trugen nur Agenten mit Daueraufträgen, soweit sie nicht
    einfach aus dem entsprechenden Genre selbst rekrutiert wurden
    und sich gar nicht erst umziehen mussten.
    Wir klopften und traten ein. Im Inneren war es nach dem
    grellen Licht auf der Straße relativ dunkel, und unsere Augen
    brauchten einen Augenblick, um sich anzupassen. An der
    Wand hingen zahlreiche Steckbriefe, die sich nicht nur auf das
    Nebraska des Jahres 1875, sondern auch auf die BuchWelt im
    Allgemeinen bezogen. Für Hinweise auf den Aufenthaltsort von
    Big Martin wurden zum Beispiel $300 geboten. Darunter stand
    eine Kaffeekanne aus Blech auf einem gusseisernen Ofen. Auf
    der linken Seite stand ein Gewehrschrank. Auf dem Aktenschrank schlief eine getigerte Katze. Die gegenüberliegende
    Wand wurde von den vergitterten Zellen gebildet. In einer
    davon lag ein Betrunkener auf der Pritsche und schnarchte
    eindrucksvoll.
    In der Mitte des Raums stand ein riesiger Schreibtisch, der
    einen halben Meter hoch mit Gesetzbüchern und Akten bedeckt
    war. Außerdem befanden sich zwei abgetragene Stiefel darauf,
    in denen zwei Beine steckten, die am Sheriff festgemacht waren.
    Seine Bekleidung war größtenteils schwarz und musste dringend gewaschen werden, soweit ich das beurteilen konnte. An
    seiner Weste hing ein silberner Stern, aber von seinem Gesicht
    sah man nur den gewaltigen grauen Schnurrbart, der unter
    seinem Stetson hervorlugte. Auch er schlief den Schlaf des
    Gerechten und balancierte gefährlich auf den hinteren Stuhlbeinen, die sein Schnarchen mit rhythmischem Quietschen
    akzentuierten.
    »Sheriff?«
    Keine Antwort.
    »SHERIFF!«
    Erschrocken fuhr der Mann hoch, verlor das Gleichgewicht
    und kippte nach hinten. Mit Donnergetöse landete er auf dem
    Boden, wobei seine Beine den Wasserkrug auf dem Schreibtisch
    umstießen. Das Wasser durchnässte ihn völlig. Das Gebrüll des
    Gesetzeshüters weckte die Katze, die fauchend in den Vorhang
    sprang. Die morsche Vorhangstange zerbrach, und das trockene
    Gewebe fiel auf den heißen Ofen. Beim Versuch, die Flammen
    zu löschen, stieß ich den geladenen Revolver des Sheriffs vom
    Schreibtisch. Ein Schuss löste sich und durchtrennte die Schnur,
    mit der ein ausgestopfter Elchkopf befestigt war. Es erstaunt
    wohl kaum noch, dass Bradshaw den Elch auf den Kopf kriegte.
    Natürlich war das alles sehr ärgerlich, aber gleichzeitig war es
    genau das, wonach wir gesucht hatten: eine katastrophale
    Slapstick-Epidemie.

    »Tut mir leid, Sheriff«, sagte ich, nachdem ich das Feuer gelöscht, meinen Partner von seinem Geweih befreit und dem
    durchnässten Gesetzeshüter auf die Beine geholfen hatte. Er war
    über einsneunzig groß, hatte ein wettergegerbtes Gesicht und
    tiefblaue Augen. Ich zeigte ihm meine Dienstmarke. »Thursday
    Next, Jurisfiktion. Das ist mein Partner, Commander Bradshaw.«
    Der Sheriff entspannte sich etwas und lächelte vorsichtig.
    »Da bin ich aber froh. Dachte schon, es wären die Baxters«,
    sagte er und begann sich die Haare mit einem Handtuch der
    Bordellgenossenschaft Dawson City zu trocknen. »Jurisfiktion,
    ja? Von euch hab ich schon lange keinen mehr in dieser Gegend
    gesehen.

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