04 - Geheimagent Lennet und der Satellit
anrufen.«
Sie griff zum Hörer.
»Sagen Sie, Fräulein, was für ein Typ ist denn Ihr Personalchef? Ich hätte nichts dagegen, wenn er genauso nett wäre wie Sie.«
Die junge Dame bemühte sich, empört auszusehen.
»Unser Personalchef heißt Madame Martinet.«
»Eine Frau?«
»Eine Frau!«
»Dann gleicht sie Ihnen immerhin schon in einem Punkt. Und wie ist sie sonst?« Das junge Mädchen gab seine gespielte Empörung auf. Sie hielt den Hörer mit der Hand zu und flüsterte: »Sonst ist sie eine alte Ziege. Sie werden ja sehen.«
Diese Beschreibung war etwas hart, aber nicht ganz unzutreffend. Madame Martinet trug eine große, dicke Brille.
Die kleinen, unordentlichen Haarsträhnen, die ihr in die Stirn hingen, erinnerten an das Gefieder eines Papageis, ihre Art zu sprechen an Hühnergegacker.
»Junger Mann, ich habe Sie aufgrund Ihrer Bewerbung hierher gebeten. Aber bilden Sie sich ja nicht ein, daß Sie schon so gut wie angestellt sind. Ich habe mehrere Zuschriften erhalten, und gedenke mir selbstverständlich den geeignetsten Bewerber auszusuchen. Sie behaupten, einundzwanzig Jahre alt zu sein? Dabei sehen Sie höchstens wie achtzehn aus.«
»Vielen Dank, Madame. Wirklich sehr liebenswürdig. Aber wissen Sie, im Moment ist es mir noch ziemlich gleichgültig, ob man mich nun für jünger hält oder nicht. In dreißig Jahren wäre ich Ihnen für dasselbe Kompliment bestimmt sehr dankbar.«
Madame Martinet schob ihre Brille auf die Nasenspitze, sah überhaupt nichts mehr und schob sie wieder zurück: Machte sich dieser junge, gutgekleidete Mann etwa über sie lustig? »Mir wäre es lieber, wenn Sie etwas älter wären. Haben Sie Ihre Papiere bei sich?« Lennet reichte ihr Jean-Jacques Lissous Personalausweis. Das Paßbild war vom SNIF ausgetauscht worden. Als Geburtsdatum war das des wirklichen Inhabers angegeben.
»Hm!... Gut. Und Sie behaupten, ein Jahr bei Laser-Maser gearbeitet zu haben?«
»Ja, Madame. Und der Direktor von Laser-Maser behauptet das gleiche. Hier ist mein Zeugnis.«
Wieder das kleine Spiel mit der Brille.
In Wirklichkeit hatte Lennet lediglich drei Wochen in dem berühmten Labor des Verteidigungsministeriums gearbeitet.
Einundzwanzig Tage voll angestrengter Arbeit und einundzwanzig Nächte, in denen ihm während des Schlafs nach den neuesten psychotechnischen Methoden alles Wissenswerte eingetrichtert worden war. Auf Wunsch des SNIF hatte ihm der Chefphysiker des Labors ein Zeugnis ausgestellt. Sollte ihn jemand danach fragen, so würde er das bestätigen.
»Wie war es Ihnen möglich, in dieses Labor aufgenommen zu werden, obwohl Sie doch, soweit ich sehe, über keinerlei wissenschaftliche Ausbildung verfügen? Wegen Ihrer Kenntnisse hat man Sie doch bestimmt nicht angestellt?«
»O nein, nicht wegen meiner Kenntnisse. Wegen meiner Beziehungen natürlich!« Diesmal rutschte die Brille bis auf die äußerste Nasenspitze.
Dann wanderte sie zurück an ihren Platz. War dieser Lissou nun harmlos oder war er einfach unverschämt? Munter plapperte Lennet weiter.
»Papa hat sehr gute Beziehungen, wissen Sie. Aber er findet es an der Zeit, daß ich mir selber helfe.«
»Aha, und?«
»Na, deshalb bin ich hier.«
Madame Martinet wandte sich wieder der Lektüre des Zeugnisses zu.
»Dieses Stück Papier hier ist eine einzige Lobeshymne. Ich frage mich nur, ob Sie wirklich ein so tüchtiger Arbeiter sind, oder ob auch hier die Beziehungen Ihres Herrn Papa...«
»Ich habe sehr viel gearbeitet, Madame. Ganz bestimmt!« Diese Behauptung klang so unbefangen und ehrlich, daß die Personalchefin spürte, wie sie weich wurde: Was für ein reizender, junger Mann, dachte sie bei sich. Und diese entzückende, blonde Strähne in der Stirn! Zweifellos ziemlich einfältig und unbeholfen, aber sicherlich ein netter Kerl.
Sie unterhielten sich über sein Gehalt. Madame Martinet telefonierte. Lennet mußte Formulare ausfüllen, sich von einem Arzt untersuchen lassen, eine Versicherung abschließen, sich in allen Verwaltungsabteilungen des Betriebs bekannt machen.
Eine Woche später war er angestellt.
Das Labor der Firma war in Boulogne-Billancourt. Es wurde von Professor Steiner geleitet. Professor Steiner war ein hervorragender Mensch, der aus Liebe zur Wissenschaft arbeitete.
»Mein Kind", sagte Professor Steiner zu Lennet - er nannte alle seine Mitarbeiter »mein Kind", egal wie alt sie waren -, »Ihr Gesicht ist mir ausgesprochen sympathisch.«
Er fand alle Leute »ausgesprochen
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