04 - Herzenspoker
heimlich zu ihm hin und versuchen zu sehen, was er schreibt«, sagte
Peter. »Komm!«
Sie
schlichen hinter Manuels Rücken so nahe an ihn heran, dass sie beinahe neben
ihm standen. Peter stellte sich auf die Zehenspitzen, um zu sehen, ob er
erkennen konnte, was der Diener in sein Buch schrieb. Im selben Augenblick musste
Amy fürchterlich niesen. Manuel blickte schnell über die Schulter und sah den
kleinen Jungen, der offensichtlich versuchte zu lesen, was er geschrieben
hatte.
Er
packte beide Kinder an den Armen und begann sie zu schütteln. »Was sucht ihr
bei mir, he?« rief er. ,
»Wir
haben nichts getan«, stieß Peter tapfer hervor, aber Amy, die fürchterlich
erschrocken war, fing an zu weinen.
»Manuel!
Lass die Kinder auf der Stelle in Frieden!« ertönte eine laute Stimme.
Manuels
blässliches Gesicht wurde ganz rot, und er ließ die Kinder los. Peter und Amy
umarmten einander und blickten zu ihrem Erretter auf. Er war hochgewachsen, blondhaarig
und elegant gekleidet.
»Mylord«,
schmollte Manuel, »diese Bälger haben sich an mich herangeschlichen und mich
erschreckt.« ,
»Was!
Zwei kleine Kinder! Da musst du dir schon etwas Besseres ausdenken.«
»Er ist
ein Spion!« rief Peter. »Er beobachtet die Truppen und schreibt alles in sein
Buch.«
»Er
braucht die Truppen nicht zu zählen, wo doch jedermann
alles
bis ins kleinste Detail in der Zeitung lesen kann«, antwortete Lord Guy. »Aber
zeig mir das Buch, Manuel.«
Manuel
zog ein kleines schwarzes Buch hervor. Lord Guy schlug es auf. »Es ist mein
Tagebuch«, sagte Manuel.
»Bin
heute mit Mylord nach Box Hill gefahren«, las Lord Guy.
»Es ist
nicht dasselbe Buch«, flüsterte Peter Amy zu.
»Es ist
in Ordnung«, sagte Lord Guy und gab es zurück. »Ich werde mich später um dich
kümmern, Manuel. Nun, Kinder, wie heißt ihr denn?«
»Peter Jones«,
sagte Peter, »und das ist meine Schwester Amy. Weine nicht, Amy. Es ist ja
alles wieder gut.«
»Und wo
wohnt ihr?«
»Am
Berkeley Square.«
»Und wo
ist euer Kindermädchen?«
Peter
zappelte ein bisschen herum. »Sie weiß nicht, dass wir weggegangen sind«, sagte
er.
»Dann
werde ich euch zu euren Eltern zurückbringen.«
»Wir
haben keine Eltern«, sagte Peter. »Unsere große Schwester kümmert sich um uns,
und sie wird furchtbar wütend sein.« Dabei vergaß Peter völlig, dass er darauf
hinweisen wollte, dass Manuel ein anderes Buch hergezeigt hatte. Er war wieder
zurück in der Wirklichkeit, in der die Erwachsenen böse auf ihn waren.
»Besser
ein bisschen Ärger mit eurer Schwester kriegen, als noch einmal auf eigene
Faust herumlaufen«, sagte Lord Guy. »Manuel, du gehst in die Clarges Street
zurück und wartest dort auf mich. Aber vorher gehst du da hinüber und sagst Mr.
Roger, dass ich diese Kinder heimbringe. Kommt, Kinder.«
Das
glorreiche Erlebnis, in einem prachtvollen Rennwagen nach Hause gebracht zu
werden, genügte, um Peter von seinen Sorgen abzulenken.
Als
Lord Guy sein Gespann vor dem Haus am Berkeley Square zum Stehen brachte,
blickte er neugierig die Fassade hinauf. Er hatte das Gefühl, dass er es schon
einmal gesehen hatte und dass ihm darin etwas ungeheuer Wichtiges passiert war.
Da
öffnete sich die Haustüre, und Esther kam herausgeeilt. Sie hatte nur Augen für
ihren Bruder und ihre Schwester. Als man ihr gemeldet hatte, dass die Zwillinge
vermisst wurden, hatte sie sich von ihrem Krankenlager erhoben. Sie trug ein
lose flatterndes Gewand und hatte ihre roten Haare locker auf dem Kopf
zusammengesteckt.
Lord
Guy schaute sie verwirrt an.
»Sie«,
sagte er, »Sie waren kein Traum. Es gibt Sie wirklich.«
»Ich
bin Ihnen dankbar dafür, dass Sie die Kinder nach Hause gebracht haben«, sagte
Esther, die gar nicht richtig zugehört hatte und ihn jetzt zum ersten Mal
anschaute. Sie setzte eine unzugängliche Miene auf.
»0 ja«,
sagte sie kalt. »Wir sind einander schon einmal begegnet.«
»Wo?«
fragte Lord Guy.
»Sie
waren fürchterlich betrunken. Eines Morgens haben Sie mein Haus betreten und
versucht, mich zu überfallen. Sie haben die Clarges Street Nr. 67 in ein
Bordell verwandelt. Ich sollte Sie keines einzigen Wortes für würdig befinden,
aber ich muss Sie fragen, wo Sie die Kinder gefunden haben.«
»Im
Hyde Park, Madam«, sagte er. »Sie hielten meinen Diener fälschlich für einen
Spion. Er hat sie erschreckt.«
Esther
hob die Kind er aus der Kutsche, übergab sie dem Kindermädchen und wandte ihre
Aufmerksamkeit wieder Lord Guy
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