04 - Herzenspoker
hat, war glänzend und neu, und das, in das er geschrieben hat,
war abgenutzt.«
»Aber
er muss doch nur Zeitung lesen, wenn er wissen will, welche und wie viele Regimenter es
gibt«, sagte Rainbird.
»Das
hat Lord Guy auch gesagt«, meinte Peter enttäuscht.
»Es ist
komisch«, warf Lizzie schüchtern ein. »Ich habe es Ihnen nicht erzählt, Mr.
Rainbird, aber als ich Miß Jones das erste Mal begegnete, als sie mit den
Kindern, in den Kensington-Gärten war, habe ich beim Nachhausegehen
Manuel auch gesehen. Er hat die Truppen beobachtet und etwas in ein Buch
geschrieben.«
»Damals
habe ich auch schon gesagt, dass er ein Spion ist«, sagte Peter bekümmert,
»aber Esther hat ebenfalls gesagt dass er nur Zeitung zu lesen braucht.«
»Ah ja,
vielleicht war deshalb neulich etwas aus der Zeitung ausgeschnitten«, mischte
sich Angus ein.
Sie
sahen ihn alle überrascht an.
»Ich
bin davon überzeugt, dass wir uns etwas einbilden, Master Peter«, sagte
Rainbird. Er hielt den Kopf schräg, stand leise auf und ging, ohne ein Wort zu
sagen, zur Tür und riss sie auf. Draußen stand Manuel.
»Hast
du uns belauscht?« fragte Rainbird wütend.
»Ich?«
antwortete der Diener verächtlich. »Warum sollte ich euch belauschen wollen?«
Er
drehte sich um und ging, und die Diener schauten einander an.
Lord Guy war
enttäuscht über seine Begleiterin. Er hatte ihr verschiedene berühmte Leute
gezeigt, er hatte ihr vom Theater erzählt, er hatte über ihr gelungenes
Kinderfest gesprochen, und sie hatte ihm nur höchst einsilbig geantwortet -.
ja, nein und oh. Er hatte gute Lust, den gesamten Plan, Miß Jones den Hof zu
machen, wieder aufzugeben, aber die physische Anziehungskraft, die sie auf ihn
ausübte, wurde von Minute zu Minute drängender, und in dem Maße, in dem seine
Ungeduld mit ihr zunahm, wuchs auch das heftige Verlangen, sie in, die Arme zu
nehmen.
In
diesem Augenblick riss eine Schwadron Freiwilliger, die im Park übte, die
Gewehre hoch und feuerte eine Salve ab. Seine Pferde scheuten, und er zog die
Zügel an, sprang ab und redete besänftigend auf sie ein, bis sie sich wieder
beruhigt hatten. Er schwang sich zurück in die Kutsche und ergriff die Zügel.
»Es ist Ihnen hoffentlich nichts geschehen?« fragte er Esther, und dann
passierten zwei Dinge auf einmal.
Vor
Lord Guys Augen verschwand der Hyde Park und machte einem Schlachtfeld Platz.
Die Kanonen donnerten, die Pferde wieherten, und wieder blickte der kleine
Trommler, Jimmy Watson, der kaum elf Jahre alt war, mit flehenden, gequälten
Augen zu ihm auf und weinte: »Erschießen Sie mich, Mylord Ich kann den Schmerz
nicht ertragen.« Lord Guys Gesicht wurde kalkweiß, und er schlug die Hände
davor.
Im
selben Augenblick sah Esther voller Abscheu, was sich neben ihnen abspielte. An
ihrer Seite war eine kleine Kutsche zum Halten gekommen. Sie wurde von einer
hübschen milchweißen Stute gezogen und von einer elegant gekleideten Brünetten
kutschiert. Das Pferd bäumte sich auf, und die Brünette redete ihm, wie Lord
Guy es getan hatte, gut zu. Aber sobald sich das Pferd beruhigt hatte, begann
sie, es mit ihrer Peitsche auf die Flanken zu schlagen, bis sich an der Stelle,
wo das Fell verletzt war, ein langer, blutroter Striemen bildete.
Esther
überlegte keinen Augenblick. Sie sprang ab, marschierte zu dem Mädchen hin,
nahm ihr die Peitsche aus der Hand und warf sie ins Gebüsch.
»Sie
sind ein Ungeheuer!« rief sie.
Das
Mädchen schaute sie hochmütig an. »Ich bin Lady Penworthy. Und wer sind Sie?«
»Ich
bin Miß Esther Jones, und ich erlaube mir, Ihnen zu sagen, dass Sie ein
grausames und gefühlloses Mädchen sind. Wie können Sie es wagen, dieses
unschuldige Tier auf solche Weise zu behandeln?«
»John«,
befahl Lady Penworthy ihrem Lakaien auf dem rückwärtigen Trittbrett. »Hol meine
Peitsche.«
Der
Lakai sprang herab. »Wenn Sie die Peitsche noch einmal gegen das Tier erheben«,
sagte Esther, »nehme ich sie Ihnen weg und peitsche Sie.«
Die
Brünette duckte sich vor dem zornigen Blitzen in Esthers Augen. »Es ist ein
dummes Pferd«, sagte sie schmollend.
»Dann
brauchen Sie es ja nicht mehr«, sagte Esther. Sie öffnete ihre Handtasche und
zog einen dicken Stapel Banknoten hervor. »Es sind hundert Pfund«, sagte Esther
kalt. »Ich kaufe Ihr Pferd.«
Lady
Penworthy blickte sie überrascht an. Das Pferd hatte fünfzehn Guineen gekostet.
In ihre Augen trat ein habgieriger Ausdruck. Jones! Natürlich, das musste die
reiche Miß Jones
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